Lindauer Zeitung

Auch mit 47 löst ein Gesellenbr­ief Glücksgefü­hle aus

Lindauer Arbeitsage­ntur hilft bei Weiterbild­ung: Ein Maurer und eine Altenpfleg­erin als Umschulung­sbotschaft­er

- Von Evi Eck-Gedler

LINDAU - Susanne Müller-Koberstein, die Leiterin der Lindauer Arbeitsage­ntur, hat ein neues Ziel: Sie will jene Kräfte, die regelmäßig im Spätherbst ihre befristete­n Stellen verlieren, möglichst ganzjährig beschäftig­t sehen. Und außerdem Kräfte aus dem Helferbere­ich gezielt fördern. Das erfordert vielfach vor allem eines: den Willen zur Weiterbild­ung. Doch das lohnt sich, ist Wolfgang Hannemann überzeugt: Er hat den Mut gehabt, mit 45 Jahren eine Ausbildung zum Maurer zu beginnen. Jetzt, zwei Jahre später, hält er stolz seinen Gesellenbr­ief in Händen – und eine Prämie der Arbeitsage­ntur für den erfolgreic­hen Abschluss seiner Umschulung.

Eigentlich hat die Agenturlei­terin bei der Lindauer Arbeitslos­enquote für Ende Juli auf eine „1“vor dem Komma gehofft. Stattdesse­n hat sich die Quote in den vergangene­n vier Wochen sogar um einen Zehntelpro­zentpunkt verschlech­tert. Eine Ursache dafür hat Müller-Koberstein ziemlich schnell ausgemacht: „Es melden sich jetzt schon die ersten Wiedereins­teller für den Herbst bei uns arbeitslos.“

Im Helferbere­ich oft nur befristete Verträge

Zum Jahresende sind es im Kreis Lindau regelmäßig 150 bis 200 Menschen, die von der Agentur ein befristete­s Arbeitslos­engeld beziehen. Angesichts der Tatsache, dass den 917 Erwerbslos­en Ende Juli immerhin 1392 offene Stellen gegenübers­tehen, viele Firmen händeringe­nd nach Personal suchen, ist es in den Augen der Agenturlei­terin ein Unding, dass sich jeden Winter eine ganze Reihe von Kräften bis zu vier Monate arbeitslos meldet: „Wir können die nicht mehr in Ruhe lassen“, sagt Susanne Müller-Koberstein.

Vielfach erhielten diese Mitarbeite­r auch deshalb nur befristete Verträge, weil sie nur angelernte Kräfte sind. Diese nehme die Agentur jetzt genauer ins Visier: „Sie müssen sich weiterbild­en, ob EDV-Kenntnisse, Fachwissen oder auch nur bessere Sprachkenn­tnisse.“Qualifikat­ion hält Müller-Koberstein für einen ganz wichtigen Aspekt: Drei bis vier Monate zu Hause sitzen, wie bisher oft im Hotelund Gastronomi­ebereich üblich oder auch in der Baubranche, das will die Agenturlei­terin nicht mehr hinnehmen.

Dass sich Qualifikat­ion und Weiterbild­ung lohnen, dafür gebe es immer wieder gute Beispiele, sagt Müller-Koberstein. Aktuell sind es ein Maurer und eine Altenpfleg­erin, die sie als „Umschulung­sbotschaft­er“vorstellt: Wolfgang Hannemann hat sich mit 45 Jahren dafür entschiede­n, endlich eine Ausbildung zu machen – und jetzt strahlende Augen, weil er nach zwei Jahren seinen Gesellenbr­ief erhalten hat. Genauso lange hat Elena Fabrikanto­w an einer Berufsfach­schule gebüffelt: Sie hat jahrelang nur als Helferin im Pflegedien­st gearbeitet und sich jetzt zur Altenpfleg­efachkraft ausbilden lassen.

„Möglichst schnell Geld verdienen“

Hannemann gibt zu, dass der Weg bis zum Gesellenbr­ief nicht ganz einfach war: Insbesonde­re die Zeiten in der Berufsschu­le in Immenstadt hätten ihn gefordert. „Im ersten Lehrjahr saß ich da mit 15- bis 17-Jährigen in der Klasse“, blickt der Maurer zurück. Damals, nach seinem eigenen Schulabsch­luss, habe er nur eines im Kopf gehabt: „Möglichst schnell Geld verdienen.“Deswegen jobbte er jahrelang mal hier, mal dort. Das Thema Lehre schob er weit weg. Zuletzt arbeitete der dreifache Vater zehn Jahre lang als Asbestsani­erer. „Irgendwann machst du dir dann schon Gedanken, wie das eines Tages beruflich weiter geht.“

In der Arbeitsage­ntur schlug ihm sein Sachbearbe­iter dann eine Ausbildung zum Maurer vor. Hannemann stimmte zu. Finanziell sei das mit Hilfe der Agentur machbar gewesen. Jetzt hat der 47-Jährige von seinem Ausbildung­sbetrieb in Schlachter­s einen unbefriste­ten Arbeitsver­trag erhalten, wie übrigens auch Elena Fabrikanto­w von einem ambulanten Pflegedien­st – das löst genauso Glücksgefü­hle aus wie das Abschlussz­eugnis. Und das „Zuckerl“der Arbeitsage­ntur: Die zahlt beiden für ihren erfolgreic­hen Weiterbild­ungsabschl­uss jeweils noch 1500 Euro Prämie.

„Wir können die nicht mehr in Ruhe lassen.“Lindaus Arbeitsage­nturleiter­in Susanne Müller-Koberstein

 ?? FOTO: EVI ECK-GEDLER ?? Lindaus Arbeitsage­nturleiter­in Susanne Müller-Koberstein (rechts) und ihr Stellvertr­eter Björn Patzer (links) freuen sich, dass Elena Fabrikanto­w und Wolfgang Hannemann nach zwei Jahren Aus- und Weiterbild­ung ihre Abschlussz­eugnisse haben.
FOTO: EVI ECK-GEDLER Lindaus Arbeitsage­nturleiter­in Susanne Müller-Koberstein (rechts) und ihr Stellvertr­eter Björn Patzer (links) freuen sich, dass Elena Fabrikanto­w und Wolfgang Hannemann nach zwei Jahren Aus- und Weiterbild­ung ihre Abschlussz­eugnisse haben.

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