85 Mal Sozialabgaben hinterzogen
Nach einer schwierigen Chefsuche kommt Gastwirt glimpflich davon.
KREIS LINDAU - Mit einem blauen Auge ist der Mitbetreiber eines Restaurants in einer Kreisgemeinde davongekommen, der wegen Vorenthalten von Sozialabgaben vor dem Amtsgericht stand. Das Gericht sah es letztendlich als erwiesen an, dass der Angeklagte zwar nicht der Inhaber, trotzdem aber der „Chef“und somit der Arbeitgeber war.
Der Mann war damit verantwortlich dafür, dass in dem Restaurant über drei Jahre hinweg Arbeitnehmer beschäftigt waren, für die in 85 Fällen keine Sozialabgaben an die Krankenkassen, die Rentenversicherung und die Knappschaft entrichtet wurden. Zudem sind Mitarbeiter unter dem Mindestlohn bezahlt worden und haben zum Teil schwarz gearbeitet. Weil der Angeklagte geständig war, sein Verhalten bereute, nicht vorbestraft war und die Sozialabgaben mittlerweile nachgezahlt hatte, gilt er nach Zahlung von 3150 Euro weiterhin als nicht vorbestraft.
„Kleinvieh gibt auch Mist. Mist hat mein Mandant gebaut“, räumte Verteidiger Heinz Tausendfreund aus Meersburg in seinem Plädoyer ein, nachdem die Beteiligten während der vierstündigen Gerichtsverhandlung geprüft hatten, ob der Angeklagte verantwortlich war oder die Inhaberin.
Die Schadenssumme beträgt insgesamt 11 000 Euro
In ihrer Anklage hatte Oberstaatsanwältin Susanne Fritsche dem 43-Jährigen vorgeworfen, er habe über drei Jahre hinweg in 85 Fällen Arbeitnehmer beschäftigt, ohne Sozialversicherungsbeiträge inklusive Arbeitsförderung geleistet zu haben. Zudem habe er ihnen Sachleistungen, Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt, ohne dies abzuführen, er habe den Mindestlohn unterschritten oder sie schwarz bezahlt.
Mehrere Minuten dauerte es, bis sie alle Fälle samt Beträgen vorgelesen hatte, die sich in einem Rahmen zwischen neun und 300 Euro bewegten und insgesamt eine Schadenssumme von gut 11 000 Euro ausmachen. Der Anwalt des Angeklagten hatte zwar gleich zu Beginn der Verhandlung eingeräumt, dass sein Mandant eine herausragende Position in dem Restaurant hatte, „aber er war nicht der Arbeitgeber“. Die Abrechnungen seien von der Inhaberin, beziehungsweise von einem Steuerbüro gemacht worden.
Die Inhaberin war als Zeugin geladen, kam allerdings nicht, ebenso wenig wie zwei weitere Zeugen. Acht Zeugen sagten allerdings aus, sodass sie folgendes Bild ergab: Der Angeklagte hatte bereits in dem Restaurant als Kellner gearbeitet, als es noch in den Händen der Vorbesitzer war. Als diese das Restaurant aufgeben wollten, nutzte der Angeklagte die Chance zur Übernahme. Allerdings wurde nicht er selbst Inhaber des Restaurants, sondern seine Partnerin. Da diese jedoch nichts mit Gastronomie zu tun hat, sondern bis heute einen eigenen Friseursalon im Landkreis Konstanz betreibt, überließ sie ihrem Freund das Lokal.
Die Frau war „geschockt“vom Geschäftsgebahren ihres Freundes
„Sie hat nur ihren Namen hergegeben und hat ihrem Freund vertraut, weil der der Fachmann ist“, berichtete ein Beamter des Hauptzollamts von seinem Gespräch mit der Frau, das er aufgrund einer anonymen Anzeige und während einer Kontrolle ihrer Wohnung geführt habe. Die Frau sei „geschockt“gewesen, als sie von den Vorwürfen erfuhr. Gefunden haben die Zollbeamten bei der Kontrolle der Wohnung in Mühlingen lediglich die Registrierkasse des Lokals, aber keine Unterlagen. Die Frau habe angegeben, nur ab und zu, an jenen Wochenenden, an denen sie ihren Freund besuche, als Servicekraft im Restaurant auszuhelfen.Dass die Inhaberin zumindest am Tag der Kontrolle im Lokal nicht anwesend war, bestätigte ein weiterer Beamter der Finanzkontrolle. Er war es auch, der das Gericht auf die Fernsehsendung „Mein Lokal – Dein Lokal“aufmerksam machte, die 2015 gedreht worden war und in der der Angeklagte betonte, dass er der Geschäftsführer sei. Zugleich erklärte der Beamte dem Gericht die strikten Vorschriften in der Gastronomie, wonach ein Arbeitnehmer schon gemeldet werden müsse, noch bevor er zu arbeiten beginne.
Am Tag der Kontrolle im Lokal, an dem vier ausländische Angestellte anwesend waren, habe er nichts Auffälliges festgestellt. Die Abklärung sei durch das Ermittlerteam erfolgt. Anlass für die Prüfung sei eine anonyme Anzeige gewesen. Zwei Zeugen bestätigten, jeweils 50 Euro vom Angeklagten über den Arbeitsvertrag hinaus erhalten zu haben, weil sie an Feiertagen gearbeitet hatten. Eine andere Zeugin gab zu, zwar für den Angeklagten gearbeitet zu haben, die über dem Restaurant befindliche Wohnung aber nur als Meldeadresse genutzt zu haben. Weil sie zum Monatsende die Arbeit im Lokal aufgenommen habe, habe ihr der Angeklagte den Verdienst auf die Hand bezahlt, ab Monatsbeginn sei sie laut Arbeitsvertrag bezahlt worden. Auf die Hand bekam ein weiterer Zeuge sein Geld, der damit aber erst unter Androhung eines Strafverfahrens durch die Oberstaatsanwältin herausgerückte. Fast alle Zeugen bestätigten, dass für sie der Angeklagte der „Chef“gewesen sei.
„Kleinvieh gibt auch Mist. Mist hat mein Mandant gebaut.“ „Es summiert sich in der Vielzahl. Es wurde immer wieder ein bisschen getrickst.“
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte Chef war
Während der Verteidiger es nicht als bewiesen ansah, dass die ganze Verantwortung auf seinem Mandanten liege, sah die Oberstaatsanwältin den Nachwies erbracht, dass der Angeklagte die „Fäden in der Hand“hatte. Zwar gehe es in allen Fällen um Kleinbeträge, aber dahinter liege ein System: „Es summiert sich in der Vielzahl. Es wurde immer wieder so ein bisschen getrickst.“Das fand auch Richterin Brigitte Grenzstein, die den Angeklagten in 85 Fällen schuldig befand und ihn zu 90 Tagessätzen zu je 35 Euro verurteilte. Damit blieb sie im Mittel zwischen dem von Oberstaatsanwältin und Verteidiger geforderten Straßmaß.