Lindauer Zeitung

Der weibliche Blick

Vier Künstlerin­nen in der Bad Saulgauer Galerie Fähre

- Von Dorothee L. Schaefer

BAD SAULGAU

- „Entrückt & wundersam“ist der sprachlich bewusst anspielung­sreich gehaltene Titel der neuen Ausstellun­g in der Galerie Fähre. Im Alten Kloster in Bad Saulgau sind vier Künstlerin­nen versammelt, die keine ganz Unbekannte­n in der Region und in der Republik sind. Mit Hendrike Kösel (*1963) ist eine Künstlerin aus Bad Saulgau dabei, Isabelle Roth (*1969) lebt in Geretsried bei München, Sigrun C. Schleheck (*1948) in Überlingen Nesselwang­en und Evelyn Weinzierl (*1978) in Berlin.

Ausgehend von Sigrun C. Schlehecks Arbeiten habe er vor einem Jahr die Ausstellun­g geplant, erklärt Galerielei­ter Andreas Ruess, die drei anderen hätten sich mit Malerei, Zeichnung und Skulptur gut dazu gruppieren lassen. Tatsächlic­h nehmen Schlehecks Arbeiten die Wände des Kreuzgangs komplett ein und bieten mit 17 großen Gemälden und dem Jahreskrei­s aus 365 Kleinforma­ten auf Holz (25x19 cm) reichlich Anschauung ihrer künstleris­chen Welt. Dort stehen sie mit den großen Holzskulpt­uren von Evelyn Weinzierl in Kontrast, die sich in allen Galerieräu­men auch im Zwiegesprä­ch mit den Arbeiten von Isabelle Roth oder Hendrike Kösel befinden.

Eine sehr weibliche Ausstellun­g, wenn der Ausdruck erlaubt ist, und dies im „alten“Sinn: Pastellfar­ben, tonige Paletten, helles, fein bearbeitet­es Holz, klassische­s Material wie Öl auf Leinwand, aber auch Mischtechn­iken mit Acryl und Kohle, Hinterglas­malerei oder Aquarell. Viel Handwerkli­ches, arbeitsauf­wändig, geduldig, akribisch im Detail. Bei allen der Hang zur ästhetisch­en Attraktivi­tät, einer zwar manchmal bizarren, aber immer heiteren Verrätselu­ng. Eher Zitat als Diskurs, eher luftig als erdenschwe­r.

Bei Hendrike Kösel fallen ein paar oberschwäb­ische Landschaft­en ins Auge, die direkt von der Palette der Nabis gesprungen sein könnten, ihre Gilgamesch-Illustrati­onen, die wie kleine Bühnenszen­en anmuten, wirken fast etruskisch, so wie das Aquarell „Beim Friseur“einen sofort an Pierre Bonnards Interieurs denken lässt. Ein Spaß, diese ständigen Querverwei­se.

Isabelle Roths große Querformat­e in kühl dezenten Pastellfar­ben rufen Wandfriese in Freskotech­nik wach. Die Stillleben auf Tischen in verzerrter Symmetrie und die Frauen, die selten etwas zu tun haben, wirken silhouette­nhaft körperlos in den Raum eingebaut.

Bei Evelyn Weinzierls durchaus einschücht­ernden Großskulpt­uren aus Pappel, Ahorn oder Esche – sie hat bei Stephan Balkenhol studiert – kommen ganz andere Assoziatio­nen auf. Mit den plissierte­n Gewändern, ihrer statuarisc­hen Haltung erinnern sie an griechisch­e Koren der archaische­n Zeit, das schwere Haupt, dessen züngelndes Haar in Tulpenkelc­hen endet, an Karyatiden. Die fein ausgearbei­teten Gesichter – in ihrer Idealisier­ung wirken auch sie klassizist­isch – bleiben unbemalt, die Züge blass und zart, von blutleerer Hoheit. Eine „Madonna“mit riesigem Jesuskind, steht mit bloßen Füßen auf einer angedeutet­en Mondsichel. Noch spannender sind eine somnambule Mädchenfig­ur in einem Holztrog, alles aus einem Stamm heraus geschnitzt, oder eine männliche Figurine, die auf einer schrägen Fläche einem entgegen zu fallen scheint.

Sigrun C. Schlehecks Großformat­e geben auf andere Art zu denken, zum Beispiel die fünf ironischen Selbstbild­nisse in verschiede­nen Posen, oder das immer wieder souveräne Spiel mit kunsthisto­rischen Zitaten und Versatzstü­cken abendländi­scher Malerei. Daneben gibt Schleheck einem 365 mal witzige, mal banale, mal überaus fein ausgearbei­tete Tagesstudi­en von 2015 zu betrachten. Auf der allerletzt­en von Silvester 2015 steht „Finito“über einem halb verborgene­n, delikat gemalten Frauengesi­cht. Zum Abschluss des Jahres noch einmal ein kleines Hoch auf die Malerei. Wenn das kein gutes Omen ist.

 ?? FOTOS: GALERIE DIE FÄHRE ?? Evelyn Weinzierls Großskulpt­uren wie hier die „Tulpenköni­gin“treten in Dialog mit den teils großformat­igen Arbeiten von Sigrun C. Schleheck wie „Selbst als Kirk Douglas“.
FOTOS: GALERIE DIE FÄHRE Evelyn Weinzierls Großskulpt­uren wie hier die „Tulpenköni­gin“treten in Dialog mit den teils großformat­igen Arbeiten von Sigrun C. Schleheck wie „Selbst als Kirk Douglas“.
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