Jeder wechselt die Form der Fortbewegung
Zur Diskussion über bessere Radwege:
Da lese ich von Tag zu Tag über die Probleme der Radfahrer und wie unsere Ämter das Radwegenetz verbessern wollen. Das ist auch gut und richtig. Aber kaum einer spricht über die Folgeprobleme des Verkehrs, der immer dichter wird und anscheinend auch immer gemischter werden soll. Beispiel: die neue Ausstattung der Zwanzigerstraße.
Da ist die Rede von den Radfahrern, den Fußgängern und den Autofahrern, so als ob das drei verfeindete urteutonische Stämme seien, die sich um ihre Rechte im Revier streiten. Diese sehr gewohnte Redeweise hindert uns aber offensichtlich, die Probleme aus dem Weg zu räumen. Anders gesagt: Wir ändern doch ständig, im Laufe des Tages oder auch der Woche, die Form der Fortbewegung. Je nach Bedürfnis gehen wir zu Fuß, nehmen das Fahrrad, das Auto oder ein öffentliches Verkehrsmittel. Damit ändern wir aber doch nicht unseren Status, d.h. unsere Stellung und damit verbundene Ansprüche an die Gesellschaft. Das besorgen wir allenfalls durch freiwillige Club-Mitgliedschaft.
Unser tägliches Tun wird vielmehr von drei Einflusskräften bestimmt: vom Ich, von den Menschen um uns herum und von den Einrichtungen, die uns regieren und verwalten, z.B. eine StVO erlassen und entsprechende Verkehrszeichen aufstellen. Da hat man allerdings den Eindruck, dass viele, sehr viele Mitmenschen den Aufruf zur Ich-AG allzu wörtlich nehmen. Sie lassen sich anscheinend nur noch vom Wohl des Ichs leiten und haben Schwierigkeiten, die Anwesenheit und die Menschenrechte ihrer Mitbewohner wahrzunehmen.
Als Fußgänger bleiben sie plaudernd im Wege stehen, wie es ihnen gerade einfällt (beispielsweise vor der Rolltreppe), auf dem Sattel radeln sie rechts oder links, mit oder gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung, auf Fahr- und Fußwegen und neuerdings auch auf Wanderwegen. In Lindau betrifft das v.a. die Fußwege rund um die Insel. Die Gebotsschilder an der Seebrücke, dem Bahndamm und im Hafen sind so unauffällig angebracht, dass sie selbst der Aufmerksamkeit gutwilliger Radfahrer entgehen. Ja, und am Steuer haben sie anscheinend keinen Schimmer von der Bedeutung von Verkehrsschildern (siehe 30-Stundenkilometer-Tempolimit vor der Inselhalle). Da kehrt man nicht selten mit einiger Verärgerung zurück nach Haus. Und wünscht sich mediale Unterstützung, z.B. in der Tageszeitung, oder Auffassungen vom Radl-Verkehr, wie sie wohl nur in Kopenhagen und Amsterdam gelten.
Andreas Bodenstedt,
Lindau