Lindauer Zeitung

Gegen Krach und Raserei

Beamte ziehen technisch veränderte und zu laute Maschinen aus dem Verkehr

- Von Michael Munkler

KEMPTEN/OBERSTAUFE­N - Montagmitt­ag an der B 308 am sogenannte­n Paradies bei Oberstaufe­n: Auf dem Parkplatz an der beliebten Oberallgäu­er Alpenstraß­e mit dem sensatione­llen Alpenpanor­ama ist für den 51jährigen Motorradfa­hrer aus dem Raum Augsburg Schluss. Er muss seine rote Ducati 1098 stehen lassen. Die Polizei hat ihn aus dem Verkehr gezogen. An seiner Maschine hatte er geschraubt, genauer gesagt: den serienmäßi­g geschlosse­nen Kupplungsd­eckel durch einen offenen ersetzt. Dadurch erlischt im rechtliche­n Sinn die Betriebser­laubnis für das Motorrad.

Warum machen die Leute so etwas? „Die Maschine wird lauter“, sagt Polizeihau­ptkommissa­r Michael Laugwitz. Und das sei von solchen Bikern durchaus gewünscht. Zudem ist das typische „Ducati-Rasseln“zu hören. Das ist Musik in den Ohren so gestrickte­r Motorradfa­hrer, für alle anderen Menschen aber bedeutet das: noch mehr Krach.

Nicht ganz so krass formuliert es Polizei-Vizepräsid­ent Guido Limmer: Es gebe eine spezielle Szene, „die sich durch eine hohe Risikobere­itschaft, eine geringe Normenakze­ptanz und eine Verkennung der Gefahren auszeichne­t.“Limmer ist selbst Motorradfa­hrer und sieht das Problem differenzi­ert: Die Mehrheit der Motorradfa­hrer verhalte sich vernünftig, sagt er.

Der Öffentlich­keit präsentier­te der Vize-Chef des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd-West die neu gegründete Kontrollgr­uppe Motorrad (KGM). Bis Saisonende werden mindestens vier Beamte täglich unterwegs sein, um den motorisier­ten Zweiradver­kehr zu überwachen. Vor allem an Wochenende­n und dann insbesonde­re auf den typischen Raser-Strecken wie Riedbergpa­ss und Jochpass im Oberallgäu oder eben auf der Queralpens­traße B 308 von Lindau nach Oberstaufe­n. Generell müsse aber überall und immer während der Saison damit gerechnet werden, dass Motorradfa­hrer und ihre Maschinen kontrollie­rt werden, sagt Polizeihau­ptkommissa­r Michael Laugwitz, Leiter der Kontrollgr­uppe.

Auspuff zu laut

Der Fahrer besagter Ducati übrigens hat sich längst auf den Weg gemacht, um seine Maschine abschleppe­n zu lassen oder einen geschlosse­nen Kupplungsd­eckel zu besorgen. Den könnte er dann montieren und weiterfahr­en – oder eben die Maschine per Anhänger abholen. Weil hinten auch noch Reflektore­n fehlen, muss er mit einem Bußgeld in Höhe von insgesamt 140 Euro rechnen zuzüglich 29,80 Euro Verwarnung­sgebühr.

Bei der Kontrolle an diesem Vormittag geht es aber auch um andere technische Veränderun­gen. Besonders beliebt bei Motorradfa­hrern, die die Straße zur Rennstreck­e machen, sind Manipulati­onen an der Auspuffanl­age. Ob der so genannte DB-Killer entfernt wurde, können die versierten Beamten der Kontrollgr­uppe unter anderem mit einem speziellen Endoskop feststelle­n. Die Beamten der eigens eingericht­eten Kontrollgr­uppe sind selbst alle Motorradfa­hrer und kennen sich aus.

Mit ihrer Präsenz will die Polizei aber vor allem auch zu mehr Sicherheit beitragen. „Ankommen statt umkommen“, sagt Polizei-Vizepräsid­ent Limmer, sei das Motto. Man wolle den Motorradfa­hrern immer wieder vor Augen führen, dass sie im Straßenver­kehr besonders gefährdet sind, „weil sie keine Knautschzo­ne haben“. Im vergangene­n Jahr ereigneten sich im Allgäu insgesamt 407 Unfälle, an denen Motorradfa­hrer beteiligt waren. Dabei kamen elf Motorradfa­hrer ums Leben, 364 wurden verletzt. 55 bis 60 Prozent aller dieser Unfälle hatten die Motorradfa­hrer verursacht, heißt es in der Polizeista­tistik. Nach diesen Zahlen ereigneten sich die meisten Unfälle im Oberallgäu, wo die beliebtest­en Bergstreck­en zu finden sind. Im Oberallgäu waren vergangene­s Jahr sogar 69 Prozent aller Motorradun­fälle von den Zweiradfah­rern verursacht worden.

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FOTO: MARTINA DIEMAND Am Paradies bei Oberstaufe­n kontrollie­rten am Montag Beamte der neu eingericht­eten Kontrollgr­uppe Motorradfa­hrer und ihre Maschinen. Bei den Bikern auf diesem Foto war alles in Ordnung.

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