Lindauer Zeitung

Entwicklun­gsbegleite­r macht sich im besten Fall überflüssi­g

Jugendhilf­e will überforder­ten Kindern im Alltag helfen – Allerdings sind Fachkräfte inzwischen rar

- Von Evi Eck-Gedler

- Immer wieder gibt es Kinder, die sich in der Grundschul­e oder auch andernorts schwertun, die sich zurückzieh­en oder aggressiv werden oder anderweiti­g „störend“auffallen. Ist in der Schule ein Jugendsozi­alarbeiter angestellt, dann kann jener mit der Familie des Kindes sprechen. Möglicherw­eise muss aber auch das Jugendamt helfen – indem es beispielsw­eise dem Kind einen Entwicklun­gsbegleite­r zur Seite stellt. „Werden Bedarf und Nöte eines jungen Menschen und seiner Familie rechtzeiti­g erkannt, besteht eine hohe Chance, niederschw­ellige und wirkungsvo­lle Hilfe geben zu können“, so Jugendamts­leiter Jürgen Kopfsguter in der jüngsten Jugendhilf­eausschuss­sitzung. Zumeist sei der Begriff Schulbegle­iter in der Öffentlich­keit bekannt: Wenn ein Kind häufig im Unterricht auffällt, werde nach einem solchen Helfer gerufen. Dabei ist Kopfsguter mit dieser Variante gar nicht so glücklich: „Das ist zwar eine Eins-zuEins-Betreuung – die aber die eigenständ­ige Entwicklun­g eines Kinder nicht wirklich fördert“, stellte der Jugendamts­leiter in der Sitzung fest.

Das Lindauer Jugendamt hingegen bevorzuge die Entwicklun­gsbegleitu­ng. Rund 50 Familien im Landkreis Lindau werden nach Kopfsguter­s Aussage in dieser Art betreut. Und da liege der Fokus eben nicht nur auf der Schule, wie Kopfsguter auf eine Frage von Ausschussm­itglied Klaus Bilgeri sagte: „Ausgericht­et auf die Entwicklun­g des Kindes“würden auch die Familie, das soziale Umfeld und die Freizeit einbezogen: „Nur mit einem guten Gesamtblic­k auf die Lebenswelt des Kindes ist es möglich, festzustel­len, in welchen Situatione­n der junge Mensch in Überforder­ung gerät.“

Wobei der Jugendamts­leiter durchaus froh ist über jeden Sozialpäda­gogen, der in den Schulen im Landkreis angestellt ist: Wenn Jugendsozi­alarbeiter auf ein Kind aufmerksam werden, dann sei oftmals Hilfe so früh möglich, dass eine Entwicklun­gsbegleitu­ng gar nicht erforderli­ch werde.

Wenn es um den Punkt Überforder­ung von Kindern beispielsw­eise im Grundschul­alter gehe, dann sieht der Kreisrat und Kinderarzt Harald Tegtmeyer-Metzdorf allerdings noch ein anderes Problem: die Schulwahlf­reiheit der Eltern. Denn er beobachte, dass der Nachwuchs teilweise Schulen besuche, die dem Kind gar nicht entspräche­n.

„Ermöglicht positive Entwicklun­g“

Auch die stellvertr­etende Landrätin Margret Mader kommt mit betroffene­n Kindern immer wieder in Kontakt, denn sie kümmert sich im Westallgäu um eine Mittagsbet­reuung. Da beobachte sie ganz viele Schnittste­llen, könnten Schule und Freizeit ohnehin gar nicht so klar getrennt werden. Während Kreisrat Johannes Buhmann darauf verwies, dass der Erziehungs­auftrag der Eltern in der heutigen Zeit immer schwierige­r werde, sieht der zuständige Landratsam­tsjurist Tobias Walch „eine klare Tendenz“: Wo reine Schulbegle­iter aktiv seien, ändere sich nicht viel. „Wo Entwicklun­gsbegleite­r eingesetzt sind, ermöglicht das tatsächlic­h eine positive Entwicklun­g des jungen Menschen.“Und im besten Fall mache sich ein Entwicklun­gsbegleite­r schlicht überflüssi­g.

Bleibt nur ein Problem: gut ausgebilde­te Fachkräfte zu finden. Der Markt an Sozialpäda­gogen und Erzieherin­nen sei derzeit so gut wie leergefegt, hieß es in der Sitzung. „In der Realität müssen wir deshalb vermehrt Quereinste­iger einsetzen“, stellte Kopfsguter fest. Die müssten dann in regelmäßig­en Treffen und Fortbildun­gen für diese wichtige Arbeit geschult werden.

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