Italien verdient Antworten
Wieder hat es Genua erwischt, wieder an einem Tag mit starkem Regen. Seit 2010 haben drei Überschwemmungen die Hafenmetropole getroffen, acht Menschen sind damals insgesamt gestorben. Nun ist die gigantische Autobahnbrücke Ponte Morandi eingestürzt. Es ist eines der schwersten Unglücke der vergangenen Jahre in Italien. Die Zahl der Todesopfer ist monströs hoch.
Der italienische Verkehrsminister Danilo Toninelli hat gesagt: „Diese Tragödien können und dürfen in einem zivilisierten Land wie Italien nicht passieren.“Er hat recht. Und er hat damit auch ausgesprochen, was Genua und Italien jetzt endlich verdienen: Antworten. Klare Antworten auf die Frage, warum diese Tragödien in Italien doch immer wieder passieren.
Es gibt einen Standardsatz, den manche italienische Politiker nach Desastern wie jenem in Genua wiederholen: Man dürfe jetzt keinen „sciacallaggio“betreiben. Man dürfe also nicht wie die Schakale losgehen auf mögliche Schuldige, man müsse warten, was bei den Ermittlungen herauskommt. Sie haben diesen Satz 2009 gesagt, nach dem verheerenden Erdbeben von L’Aquila, bei dem 308 Menschen unter eingestürzten Häusern starben – oder 2017, nach den 29 Toten bei der Lawinenkatastrophe in den Abruzzen. Die Warnung vor den Schakalen dient allzu oft als Schutzschild vor unangenehmen Fragen: Fragen nach Versäumnissen des Staates, von Stadtplanern, Bauunternehmern, Architekten. Fragen, die jetzt, nach der Katastrophe von Genua, nicht mehr offen bleiben dürfen.
Sicher ist: Um gerichtsfeste Antworten zu erhalten, wird Zeit nötig sein. Aber die Fragen müssen ab heute gestellt werden. Sie türmen sich schon am Tag der Tragödie auf. Ein renommierter Straßenbauingenieur hat seit Jahren auf „unglaubliche Fehler“in der Betonkonstruktion der Brücke hingewiesen. Der Vorsitzende der Handelskammer von Genua hat 2012 gegenüber einer Regionalzeitung prognostiziert, dass der Ponte Morandi „in zehn Jahren einstürzen wird“. Der Verkehr auf der Brücke lief weiter. Bis zum Einsturz.