Zwischen Washington und Moskau
Spaltung der deutschen Gewerkschaften auf der Interzonenkonferenz in Enzisweiler 1948
ENZISWEILER - Am 17. und 18. August 1948 trafen sich im Hotel „Traube“in Enzisweiler bei Lindau (seit 1979 steht dort das Einkaufszentrum) die obersten Vertreter der neu gegründeten Gewerkschaften aller vier deutschen Besatzungszonen. Kurz zuvor, am 20. Juni 1948, hatten die drei westlichen Besatzungszonen, das sogenannte „Trizonesien“aus britischer, US-amerikanischer und französischer Zone, die westdeutsche D-Mark eingeführt. Die Besatzungsmacht der sowjetischen Zone blockierte daraufhin vom 25. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 die Straßenzufahrten zu den drei westlichen Stadtteilen Berlins, die „Berlinblockade“. Der Kalte Krieg zwischen Washington und Moskau hatte begonnen.
Bei dem Treffen in Enzisweiler ging es um nicht weniger als den Versuch, mit dieser neunten und offiziell letzten Interzonenkonferenz der deutschen Gewerkschaften einen gemeinsamen Gesamtgewerkschaftsbund für alle vier Besatzungszonen zu schaffen.
Lindaus damaliger Gewerkschaftsvorsitzender Wilhelm Klemm (1895-1956) war neben Kreispräsident Anton Zwisler und Lindaus Bürgermeister Dr. Frisch auf dieser Konferenz einer der Gäste. Am Eröffnungstag, dem 17. August, veröffentlichte er in der Lindauer Zeitung eine Grußadresse, in welcher er die an die Tagung gerichteten Hoffnungen beschrieb:
„Das Gewerkschaftsgeschehen in aller Welt wird von den Lindauer Kollegen stets mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Möge die von dieser Konferenz im Interesse der Schaffenden zu leistende Arbeit von fruchtbarer Produktivität begleitet sein. Möge die Hoffnung Millionen deutscher Gewerkschafter, aus ihrer Bewegung ein Instrument zur Erhaltung
eines menschenwürdigen Daseins zu schaffen, mit dieser Konferenz der Verwirklichung wieder ein Stück näherkommen, dann hat sie ihren Zweck erreicht.“
Doch bereits zum Konferenzbeginn mit dem späteren ersten Vorsitzenden des (West-)Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Hans Böckler aus der britischen Zone, Lorenz Hagen aus München, Hans Jendretzky vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) in der sowjetischen Zone und Kollege van Binnefeld vom Weltgewerkschaftsbund, errichtete Lorenz Hagen vom bayerischen Gewerkschaftsbund einen ersten mächtigen Stolperstein. Er beantragte, dass auch die erst vor Kurzem in Berlin in Konkurrenz zum FDGB gegründete und nicht geladene
Unabhängige Gewerkschaftsorganisation (UGO) zur Konferenz eingeladen werde. Diese UGO lehnte beispielsweise die gesamtdeutsche „Volkskongressbewegung“zur Vereinigung aller vier deutschen Besatzungszonen ab und stimmte im Unterschied zum FDGB dem US-Marshallplan zu.
Hans Jendresky vom FDGB lehnte die Teilnahme der UGO als Provokation ab und war dafür, diese auf eine nächste Konferenz zu verschieben. Mit zwölf zu acht Stimmen musste er allerdings eine erste Abstimmungsniederlage hinnehmen. Sofort verhärteten sich die Fronten deutlich.
Nun forderten Fritz Tarnow und Albin Karl aus der US-amerikanischen Zone, dass die UGO sowie die Berliner Situation selbst als erster
Tagesordnungspunkt zu behandeln seien. Die FDGB-Vertreter sprachen sich erwartungsgemäß dagegen aus und verlangten stattdessen den Eintritt in die bereits vorliegende Tagesordnung. Ein Kompromissvorschlag wurde von Hans Böckler verhindert.
Der Beschluss der Interzonalen Jungend-Gewerkschaftskonferenz vom Januar 1948 in München, welche sich unter anderem für einen einheitlichen Gewerkschaftsbund in allen vier Besatzungszonen ausgesprochen hatte, zählte nichts mehr. Der erste Verhandlungstag endete mit getrennten Beratungen.
Der zweite Konferenztag begann nach der vorzeitigen Abreise einiger westdeutscher Gewerkschaftsvertreter mit getrennten Gruppenkonferenzen, da Hans Böckler erklärte, die westdeutschen Gewerkschaftsvertreter wollten zuerst zwei UGO-Vertreter anhören.
Die eigenartig harmonisch formulierte Abschlusskonferenz vertröstete im Anschluss auf eine nächste Interzonenkonferenz, welche aber nie mehr stattfand. Die Spaltung auch der deutschen Gewerkschaftsbewegung wurde für die nächsten 42 Jahre zementiert.
Vom 12. bis zum 14. Oktober 1949 fand in München der Gründungskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für das Gebiet der am 23. Mai 1919 gegründeten Bundesrepublik Deutschland statt. Vorsitzender wurde Hans Böckler. Hans Jendretzky blieb Vorsitzender des FDGB in der am 7. Oktober 1949 gegründeten DDR.