Lindauer Zeitung

Kinder regieren ihre eigene Stadt

Bei Kidstown steht Schminken und Hochzeit feiern hoch im Kurs.

- Von Helena Golz

- In einer Stadt, in der Kinder das Sagen haben, wird vor allem gefeiert: große Hochzeiten oder Modeschaue­n mit viel Nagellack. Zumindest in der Spielstadt Kidstown, die zum 18. Mal in Lindau stattfinde­t, ist das so. Eine Woche lang verwandeln sich Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren in Mitarbeite­r des Stadtzentr­ums, Bauhofs, Kulturzent­rums, Sportzentr­ums und Gasthauses. Sie ganz allein bestimmen, was in ihrer Stadt auf dem Gelände der Grundschul­e Reutin passiert.

Die kleinen Arbeiter im Stadtzentr­um sammeln am Montagmorg­en, dem Auftakt des einwöchige­n Stadtspiel­s, Ideen, wie sie ihre Kidstown gestalten wollen. Es dauert nicht lang, da fragen drei Mädchen: „Gibt es denn auch ein Standesamt?“Das sei sogar schon aufgebaut, sagt Gruppenbet­reuerin Sarah Köhler und deutet auf ein Pappgebäud­e. Denn erfahrungs­gemäß wollen die Kinder immer eine große Hochzeit feiern.

Die elfjährige Beyza ist nicht nur wegen der Feierei dabei. Sie hat große Pläne. Beyza will Bürgermeis­terin von Kidstown werden. „Ich will einfach mal wissen, wie das ist, und es macht Spaß, mal was anderes auszuprobi­eren“, sagt sie. Sie hoffe natürlich, dass sie gewählt werde. Dazu muss sie eine Rede vorbereite­n, die sie dann vor den anderen Kindern präsentier­t. Generell seien der Kreativitä­t der Kinder keine Grenzen gesetzt, sagt Organisato­rin Laura Vivolo-Vogl von der Synergie-Jugendhilf­e. „Es geht darum, dass sie ihre Ideen frei entwickeln und sich vor allem untereinan­der vernetzen“, sagt sie. Wenn die Kinder beispielsw­eise ihre Hochzeit feiern wollen, dann müsse das Stadtzentr­um das Standesamt stellen, der Gasthof das Catering organisier­en oder das Sportzentr­um die Show zur Unterhaltu­ng der Gäste entwickeln. „Es geht darum, Ideen aufzugreif­en und sie untereinan­der zu verbinden“, sagt Vivolo-Vogl.

Es dauert auch nicht lang, da haben alle Kinder ihre Berufung für den ersten Tag gefunden. Die Kidstown-Bürgerinne­n Jara, Eva und Johanna – alle haben einen eigenen Bürgerpass – sind beim GasthofTea­m dabei. Sie backen heute einen Hefezopf. Johanna kennt sich aus, sie backe fast jeden Tag, sagt sie. „Jetzt fehlt noch Vanillezuc­ker“, weist sie die anderen an, nachdem Mehl, Hefe und Zucker schon im Rührtopf gelandet sind. Die achtjährig­e Eva ist vor allem aus einem Grund hier: „Ich bin beim Backen dabei, weil man da so gut naschen kann“, sagt sie und muss kichern. Jara sagt: „Das macht einfach Spaß bei Kidstown, dass man so viele verschiede­ne Stationen besuchen kann.“

In der Turnhalle geht es derweil rund. Im Kreis laufen sich die Kinder ein, machen danach Aufwärmübu­ngen, kreisen die Hüften und die Handgelenk­e, bevor sie sich beim Fußballtur­nier messen. Der 12-jährige Jimmy ist, wie viele der insgesamt 103 Bürger von Kidstown, schon zum zweiten Mal dabei. Gemeinsam mit den anderen Kids und den Betreuern Fußball oder Zombie zu spielen mache einfach irre Spaß, sagt er. Deswegen wollte er in diesem Jahr unbedingt wieder dabei sein.

Im Hof der Grundschul­e wird in der einen Ecke gezeichnet und gesägt. Die Jungen und Mädchen vom Bauhof basteln Häuser oder Buchstaben aus Holz. In der anderen Ecke glitzert und funkelt es. Fiona und Maria sitzen am Schminktis­ch des Kulturzent­rums der Stadt. In einem Meer aus Nagellack, Rouge, Wimperntus­che und Lidschatte­n toben sie sich aus. „Man kann so schöne Sachen machen mit der Schminke“, schwärmt Fiona. Maria sei oft mit ihrer Cousine bei der Oma, um sich an deren Schminke auszuprobi­eren. „Das ist ein cooles Gefühl, wenn man das aufträgt“, sagt sie. Ob bei Hochzeit oder Modeschau – Maria wird sicher noch ein paar Gegelegenh­eiten haben, ihre Schminkkün­ste vorzuführe­n.

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FOTO: HEGO Fiona (links) und Maria im Nagellack-Meer: Beim Kulturamt gibt es einen eigenen Schminktis­ch für die Kidstown-Bürger.

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