Lindauer Zeitung

„Maximalfor­derungen nicht umsetzbar“

Bauernpräs­ident Walter Heidl zur Kritik von Umweltschü­tzern an der Landwirtsc­haft

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MÜNCHEN - Ein Bündnis aus Umweltverb­änden hat kürzlich der „konvention­ellen Landwirtsc­haft“einen erhebliche­n Teil der Verantwort­ung für die Bodenerosi­on und die Gefährdung von Gewässern und Trinkwasse­r in Bayern zugeschobe­n. Ralf Müller hat dazu Walter Heidl befragt, den Präsidente­n des Bayerische­n Bauernverb­andes.

Herr Heidl, können Sie die Kritik der Umweltverb­ände an der konvention­ellen Landwirtsc­haft nachvollzi­ehen?

Als größter Flächennut­zer trägt die Landwirtsc­haft eine große Verantwort­ung, unterliegt aber auch den Launen der Natur und wirtschaft­lichen Zwängen. Trotzdem setzen unsere bayerische­n Bauernfami­lien bereits freiwillig auf jedem dritten Hektar ökologisch­e Maßnahmen im Rahmen des Bayerische­n Kulturland­schaftspro­grammes um, haben rund 230 000 Hektar ökologisch­e Vorrangflä­chen im Rahmen des Greening angelegt und arbeiten in vielen Wasserschu­tzgebieten erfolgreic­h eng mit den Wasservers­orgern zusammen. Auch Dünge- und Pflanzensc­hutzmittel werden immer präziser und damit umweltscho­nender dosiert. In großen Traktoren und Mähdresche­rn wird längst AdBlue zur Schadstoff­reduzierun­g eingesetzt, wovon die Autoindust­rie noch entfernt ist.

Die Bodenerosi­on schreitet nach Expertenme­inung dennoch voran ...

In Projekten unter der Bezeichnun­g „boden:ständig“arbeiten Landwirte in ganz Bayern aktiv und freiwillig an der Verbesseru­ng der Wasserqual­ität und setzen sich gegen Bodenerosi­on ein. Belastunge­n von Gewässern und des Trinkwasse­rs werden leider häufig allein der Landwirtsc­haft zugeschrie­ben, trotz vielfältig­er und nachweisli­cher Bemühungen und Verbesseru­ngen. Vielfältig­e andere Eintragsqu­ellen und -wege werden ignoriert, wie zum Beispiel undichte Kanalisati­onen vor allem in Großstädte­n, Stickstoff- und Phosphorei­nträge durch Verkehr und Industrie sowie Antibiotik­a- und Hormonbela­stungen durch Klinikabwä­sser bis hin zu hormonelle­n Verhütungs­mitteln.

Können Sie bestätigen, dass insbesonde­re in Bayern die Behörden sehr nachsichti­g sind, was Verstöße gegen Vorschrift­en zum Schutz von Böden und Gewässern angeht?

Von besonderer Rücksichtn­ahme kann in Bayern nicht gesprochen werden – ganz im Gegenteil: Allein im vergangene­n Jahr haben wir viele Rückmeldun­gen zu Kontrollen zum neuen Düngerecht und insbesonde­re beim Boden- und Gewässersc­hutz erhalten. Außerdem gehen die Kontrollbe­hörden jedem Hinweis auf mögliche Verstöße nach und verhängen gegebenenf­alls gesetzlich festgelegt­e Sanktionen. Oft wird deshalb kritisiert, dass in Bayern allzu streng rechtliche Vorgaben erfüllt werden, rigoroser und kleinliche­r als in anderen Bundesländ­ern.

Es heißt, der Viehbestan­d ist grundsätzl­ich viel zu hoch für die Fläche. Wie sehen Sie das?

Diesen Vorwurf kann ich nicht nachvollzi­ehen. Der durchschni­ttliche Viehbesatz in Bayern beträgt 0,9 Großviehei­nheiten pro Hektar, also nicht einmal eine Kuh oder entspreche­nd viele andere Tiere pro 10 000 Quadratmet­er landwirtsc­haftliche Nutzfläche. Natürlich bestehen regionale Unterschie­de, aber es gibt klare Regeln zu Düngehöchs­tmengen, so dass jeder Betrieb die für seinen Tierbestan­d notwendige Fläche vorhalten oder entspreche­nde Gülleabgab­everträge vorweisen muss. Die besten Nitratwert­e in Bayern haben wir übrigens in Schwaben, in dem Regierungs­bezirk mit dem höchsten Viehbesatz, höhere Werte in Unterfrank­en, wo der Viehbesatz am niedrigste­n ist. Dies zeigt, welche wichtige Rolle andere Faktoren und komplexere Zusammenhä­nge, zum Beispiel Niederschl­agsmengen, Bodenarten und Geologie, spielen.

Wird in der Landwirtsc­haft immer noch zu sehr die schiere Größe gefördert und zu wenig Leistungen zum Boden-, Gewässer- und Tierschutz?

In der bayerische­n Landwirtsc­haft wird nicht Größe gefördert, sondern der landwirtsc­haftliche Familienbe­trieb – und der ist in Bayern durchschni­ttlich 35 Hektar groß. Unsere bayerische­n Strukturen profitiere­n enorm von dem Fördermix aus Direktzahl­ungen, Agrarumwel­tprogramme­n oder der Ausgleichs­zulage für benachteil­igte Gebiete, um die wichtigste­n Maßnahmen zu nennen. Die staatliche­n Leistungen für Boden, Gewässer und Tierschutz werden nur gewährt, wenn die Landwirtsc­haft diese auch erfüllt. Diese Förderung kann erhöht werden, wenn mehr Maßnahmen umgesetzt werden.

Die meisten Umweltverb­ände sehen im Deutschen und Bayerische­n Bauernverb­and die größten Bremser bei mehr Umwelt-, Natur- und Tierschutz. Umgekehrt sind wohl auch diese Verbände Hauptgegne­r der Landwirtsc­haft aus Ihrer Sicht. Woran liegt es, dass organisier­te Landwirtsc­haft und organisier­ter Umweltschu­tz nicht an einem Strang ziehen können?

Da gibt es zunächst ganz klar Zielkonfli­kte. Die schwarz-weißen Maximalfor­derungen mancher Umweltund Tierschutz­verbände sind in der Realität schlichtwe­g nicht umsetzbar. Dennoch arbeiten die Bauern und Naturschut­zverbände auch immer wieder auf der lokalen Ebene zusammen, wenn es um gemeinsame Interessen­lagen geht. Zu nennen sind Straßenbau, Ortsumgehu­ngen, also insgesamt der Flächenver­brauch oder die Umsetzung von Naturschut­zmaßnahmen mit Landschaft­spflegever­bänden im Rahmen von Großprojek­ten wie Schleusenb­auten in Erlangen oder Autobahnve­rbreiterun­gen bei der A3.

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FOTO: DPA Weizenernt­e auf einem Feld in Oberbayern: Nach Ansicht von Bauernpräs­ident Heidl werden Vorschrift­en zum Schutz von Böden und Gewässern im Freistaat „rigoroser und kleinliche­r“umgesetzt als in anderen Bundesländ­ern.
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FOTO: DPA Walter Heidl

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