Comeback des Urleistungssportlers
Ronny Ziesmer absolviert heute in Berlin seinen ersten großen Para-Wettkampf
BERLIN (SID) - Ronny Ziesmer hat diesen einen großen Traum. Seit mehr als zehn Jahren treibt ihn dieser an, und in gewisser Weise ja doch schon viel, viel länger. „Es ist mein Ziel, einmal zu den Paralympics zu kommen“, sagt Ziesmer.
Einst hatte er andere, aber sehr vergleichbare Pläne, für die er jahrelang hart trainierte. 2004 stand Ziesmer als Turner kurz vor der Teilnahme an den Olympischen Spielen in Athen. Und dann: Ein schwerer und verhängnisvoller Trainingsunfall. Der Ringespezialist erlitt bei einer Übung in Kienbaum einen Bruch der Halswirbelsäule.
Die Zeit als Spitzenturner war schlagartig vorbei. Die Zeit als Leistungssportler noch lange nicht. Bei der EM in Berlin gibt der 39-Jährige aus Cottbus ab heute seine Premiere bei einem großen internationalen Wettkampf in der Para-Leichtathletik. „14 Jahre nach meinem Unfall ist das ein Schritt in Richtung meines großen Ziels“, sagt Ziesmer.
Konkret heißt das: Die Teilnahme an den Paralympics 2020 in Tokio. „Die Vorfreude ist schon groß“, sagt Ziesmer mit Blick auf die Heim-EM: „Die Aufregung wird unmittelbar vor dem Wettkampf kommen. Aber man darf sich da nicht zu sehr reinsteigern.“
In drei Disziplinen tritt Ziesmer in der Startklasse T51 an. In den Läufen im Rennrollstuhl heute (100 m) und Freitag (200 m) rechnet sich Ziesmer wenig aus. „Ich fahre hinten mit. Ich bin in meiner Klasse ganz unten angesiedelt. Die werden mir davonfahren“, sagt Ziesmer.
Hoffen auf den Keulenwurf
Deutlich optimistischer ist er mit Blick auf den Keulenwurf am Mittwoch. Erst seit einem Jahr trainiert Ziesmer den Wurf. Rund 6000 Versuche, rechnet er vor, habe er bislang absolviert. Ab 10 000 Versuchen entwickle sich ein gewisses Gefühl für die Bewegung. „Mit der eingeschränkten Sensorik und Motorik brauche ich vielleicht 20 000. Man muss sich das über die Jahre erarbeiten“, sagt Ziesmer. Doch Fortschritte sind schon jetzt zu erkennen. „Ronny Ziesmer hat sich gut entwickelt“, sagt Bundestrainer Willi Gernemann: „In Hinblick auf Tokio hat er im Keulenwurf ganz gute Möglichkeiten.“Die Disziplin ist technisch anspruchsvoll. „Das kommt mir als ehemaligem Kunstturner natürlich entgegen“, sagt Ziesmer. Außerdem sei beim Werfen „die Wahrscheinlichkeit, dass mal einer rausrutscht und vorne dabei ist, größer“. Sein Ehrgeiz ist groß, seine Motivation ebenfalls. Zweimal täglich trainiert Ziesmer für seinen Traum, „das ist Leistungssport, wie ich ihn von früher kenne. Der Aufwand ist mindestens genauso groß.“Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), schwärmt auch deshalb von Ziesmer. Bei diesem habe der „Urleistungssportler durchgeschlagen. Ronny gibt vielen Sportverletzten ein tolles Beispiel.“
Ronny Ziesmer bewegt sich längst auf neuen Wegen. Den Draht zum Kunstturnen hat er dennoch nie verloren. Für das öffentlich-rechtliche Fernsehen war er als Experte für die Turn-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Peking, London und Rio vor Ort. „Ich bin der Sportart immer noch nahe. Sie ist immer noch faszinierend für mich“, sagt Ziesmer.
Bei den Paralympics in Tokio will er eine andere Rolle einnehmen.