Wenn ein Beamter Russisch versteht
Litauer beleidigt zwei Polizisten und rechnet nicht mit deren Sprachkenntnissen
- Im Juli vergangenen Jahres waren in Kressbronn zwei Polizeibeamte gegen 22 Uhr in eine Wohnung gerufen worden, wo ein Alkoholisierter im Hauseingang saß und versuchte in eine Wohnung einzudringen. Wie sich herausstellte, war es seine Wohnung, in die ihn seine ebenfalls alkoholisierte Ehefrau nicht mehr hereinlassen wollte. „Ihr A…öcher“hat der Ausgesperrte laut und aggressiv die eintreffenden Beamten auf Deutsch beschimpft, und ein paar Schimpfwörter wie „Schwuchtel“in Russisch hinterhergeschoben, von denen er annahm, sie würden sie nicht verstehen. Mit 2,6 Promille beladen war der Litauer, als er lallend und schwankend den Alkohol-Test verweigern wollte, ihn aber nicht verhindern konnte. Nach Einschätzung des Polizeibeamten, der die russischen Beleidigungen sehr wohl verstand, hat der Vater zweier Kinder trotz seines Pegels alles, was um ihn herum geschah, mitbekommen. Der Beamte stellte Strafantrag wegen Beleidigung.
Vor vier Jahren war der Litauer, der ohne Verteidiger auf der Anklagebank saß, nach Deutschland gekommen. Er arbeite für zehn Euro die Stunde, 164 Stunden im Monat in einem Supermarkt, berichtete er. Russisch würde er gar nicht verstehen, er habe die Beamten nicht beleidigt, lediglich „ein bisschen getrunken“gehabt und geschimpft, dass man ihm die angelegten Handschellen nicht lockerer gebunden habe, ließ er sich vernehmen.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah die Beleidigungsvorwürfe gleichwohl bestätigt und beantragte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen je 40 Euro (2400 Euro), und zwar auch deshalb, weil der Mann die Tat vor dem Ende einer laufenden Bewährungszeit einer früheren Strafe verübt hat. Bei den Amtsgerichten Lörrach und Tettnang ist er kein Unbekannter. Diebstähle, Hehlerei und Fahren ohne Fahrerlaubnis lauten die bisherigen Eintragungen.
„Nicht den Hauch eines Zweifels“an den Beleidigungen hatte auch Richter Max Märkle, der den Angeklagten in zwei tateinheitlichen Fällen zu 60 Tagessätzen je 20 Euro und den Verfahrenskosten verurteilte. Für ihn hatte sich nur die Frage gestellt, welche Strafe schuldangemessen sein würde. Negativ sieht er die schon mehrfachen Verurteilungen des Mannes, der schon kurz nach der vorherigen Bewährungsstrafe erneut mit dem Gesetz in Konflikt kam. Negativ sei auch, dass er keine Hemmungen hatte, zwei Polizeibeamte im Einsatz zu beleidigen, die durch ihre Uniform unschwer als Polizisten auszumachen waren.
Für den Angeklagten sprach, dass er sich nach dem Streit mit seiner Frau – die ihm den Wohnungsschlüssel abgenommen hatte – in einer Ausnahmesituation befand. Und: Schon einmal hatte zuvor die Polizei anrücken und er die Nacht in Gewahrsam verbringen müssen.