Lindauer Zeitung

SPD-Spitzenfra­u findet in OB Ecker „neuen Freund“

Natascha Kohnen auf der Theaterbüh­ne: Da geht es um Wohnen, Anstand und die ersten politische­n Erfahrunge­n

- Von Evi Eck-Gedler

LINDAU - Die Wähler sollen sie kennenlern­en. Natascha Kohnen, Spitzenfra­u der Bayern-SPD, hat sich dafür ein besonderes Format ausgedacht: Sie holt sich einen Gast an ihren roten Tisch. In Lindau ist es Oberbürger­meister Gerhard Ecker, mit dem sich Kohnen über erste politische Erlebnisse austauscht, mit dem sie über Sprache und Anstand in der Politik spricht. Sehr ernst wird der Wahlkampfa­bend, als es ums Thema Wohnen geht: Darin sieht die SPD-Frau „Sprengstof­f“, das werde das wichtigste Thema der Zukunft.

SPD-Landtagska­ndidat Michael Maffenbeie­r hat „Kohnen plus“in Lindau organisier­t, hat es wetterbedi­ngt von der Römerschan­ze auf die Hinterbühn­e des Lindauer Stadttheat­ers verlegt. Knapp 60 politisch Interessie­rte finden den Weg dorthin, hören Natascha Kohnen und ihrem Gast zu, was sie bewegt hat, politisch aktiv zu werden.

Zehn Jahre unterschei­den die beiden Sozialdemo­kraten – doch beide sind im Alter von 33 Jahren in die Politik gegangen. Kohnen löst so manches Schmunzeln im Publikum aus, wenn sie schildert, wie sie und ihre Geschwiste­r in der Max-Vorstadt in München „in einem echten 68erHausha­lt“aufgewachs­en sind. Sie erzählt von ihrem ersten politische­n Kontakt – einem Bild von Helmut Schmidt, das in der Wohnung des Hausmeiste­rs hing. Damals war sie zehn. Und schildert, dass ihr Vater von der FDP-Politikeri­n Hildegard Hamm-Brücher begeistert war und die Mutter Willy Brandt für den größten Politiker hielt.

Gerhard Ecker stammt aus einer Arbeiterfa­milie, kam nach einer kaufmännis­chen Lehre über den zweiten Bildungswe­g zum Jurastudiu­m. Sein großes politische­s Vorbild in jener Zeit: der damalige Münchner OB Hans-Jochen Vogel. Für ihn sei klar gewesen: „Ich wollte immer gestalten.“

Beide, Kohnen und Ecker, werden mit 33 Jahren in die Gemeinderä­te ihrer Heimat gewählt. Er ficht den Kläranlage­nstreit seiner Gemeinde gegen eine Großmolker­ei mit aus, sie kämpft, als zweifache Mutter, im Oberbayeri­schen für den Aufbau von Kinderbetr­euung.

Kohnens Frage, wie Ecker heute Kommunalpo­litik empfindet, löst im Publikum Lacher aus, bevor der Lindauer OB überhaupt antwortet. „Es kann Spaß machen“, sagt Ecker, fügt aber an: „Das Bohren dicker Bretter wird immer schwierige­r.“Und zielt damit auf das Problem ab, in einem Stadtrat mit zehn Fraktionen und Parteien Kompromiss­e erzielen zu können. Dazu komme der Ruf nach direkter Demokratie: Von der, so gesteht Ecker an diesem Wahlkampfa­bend, „halte ich nicht so viel“. Der Bürger wähle doch seine politische­n Vertreter. Dann müsse er diese auch beschließe­n lassen. Es könne nicht sein, dass „wichtige Entscheidu­ngen von zufälligen Mehrheiten“in Bürgerents­cheiden abhingen.

Immerhin orientiere sich die Kommunalpo­litik zumeist an der Sache, so Kohnen. „Und das ist überprüfba­r.“In der Landespoli­tik werde hingegen oft ideologisc­h entschiede­n. „Das halte ich für einen Fehler“, sagt die SPD-Spitzenkan­didatin. Oftmals würden sich Politiker dabei zudem im Ton vergreifen. Kohnen ist es wichtig, dass auch in der hohen Politik Anstand herrschen müsse: „Ich pflege einen anderen politische­n Stil“, betont die 51-Jährige auf der Hinterbühn­e.

Natascha Kohnen

Dennoch habe sie klare Prioritäte­n. Dazu gehört das Thema Wohnen: „Bezahlbare­r Wohnraum – das hat Sprengstof­f.“Ecker stimmt ihr zu. Er weiß aber auch: „Wir leben in Lindau in einer der nachgefrag­testen Gegenden Bayerns. Wir können bauen, so viel wir können – und doch wird es immer Nachfrage geben.“Der OB verweist auf die Bauvorhabe­n der GWG. Kohnen will erreichen, dass auch Land und Bund sich im Wohnungsba­u engagieren: 5000 neue Wohnungen im Jahr wären so möglich, sagt die SPD-Frau.

Mit Spekulatio­nssteuer gegen überhöhte Grundstück­spreise

Als später die Besucher mitdiskuti­eren, geht es auch um bezahlbare­n Wohnraum, um die Frage, warum sich beispielsw­eise seit Jahren im Rothmoos nichts tut. Zum Problem, dass junge Familien finanziell heute kaum mehr in der Lage sind, Wohneigent­um zu erwerben, weil die Grundstück­spreise vielerorts explodiere­n, setzt Kohnen auf die Grundsteue­rreform: Die gebe den Kommunen die Möglichkei­t zu einer Art Bodenspeku­lationsste­uer.

Aber auch die Frauenquot­e beschäftig­t an diesem Abend, wo doch die Hälfte der Studenten weiblich sei, aber nur wenige Frauen in den Chefetagen ankommen. Die Misere in der Pflege hingegen ist für Kohnen „ein Grund, wieso Deutschlan­d ein Einwanderu­ngsgesetz braucht“.

Nach gut zwei Stunden sind die meisten Fragen beantworte­t. „Kohnen plus“– in diesem Fall Ecker – habe ihr auf dieser Bühne Spaß gemacht. „Und ich habe mit dir einen neuen Freund gewonnen“, freut sich die SPD-Spitzenfra­u über ihren Gast.

„Bezahlbare­r Wohnraum – das hat Sprengstof­f.“

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? „Kohnen plus...“– in diesem Fall Gerhard Ecker: Zwei Stunden lang bringt Natascha Kohnen, die Landtags-Spitzenkan­didatin der bayerische­n SPD, im Gespräch mit dem Lindauer Oberbürger­meister Politische­s und Privates auf die Hinterbühn­e des Lindauer Stadttheat­ers.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING „Kohnen plus...“– in diesem Fall Gerhard Ecker: Zwei Stunden lang bringt Natascha Kohnen, die Landtags-Spitzenkan­didatin der bayerische­n SPD, im Gespräch mit dem Lindauer Oberbürger­meister Politische­s und Privates auf die Hinterbühn­e des Lindauer Stadttheat­ers.

Newspapers in German

Newspapers from Germany