Guter Durchblick für die Zukunft
Ein ganzes Dorf auf den Philippinen wird mit Brillen versorgt
WEISSENSBERG - Mit etwas mehr als hundert gebrauchten Brillen, einem Handoptometer und eher kleinen Erwartungen, hat sich das Ehepaar Fred und Margit Rietschel aus Weißensberg auf den Weg zu einem kleinen Dorf auf den Philippinen gemacht. Dort wurden sie Teil eines Hilfsorganisationsprojektes. Was sich bei diesem Besuch alles ereignete, hat alle Vorstellungen der beiden übertroffen.
Ein kleines Dorf namens „Toril“auf der südlichsten Insel der Philippinen ist geprägt von Armut und inhumanen Verhältnissen, erzählen die beiden. Fast zerfallene Holzhütten, nicht genügend sauberes Grundwasser und Geld, das gerade so für Essen ausreicht: Die Bildung der vielen Kinder und Jugendlichen bliebe damit auf der Strecke, denn anders als in Deutschland muss auf den Philippinen jede schulische Ausbildung selbst bezahlt werden. Das Projekt „Ktep“(Kressbronn-Toril education program) setzt sich für die Bildung der Kinder ein. Jedes Kind hat einen Paten, der monatlich einen Betrag von 30 Euro zahlt. Durch diese Spendengelder können derzeit knapp 300 Toriler Kinder die Schule besuchen. Auch das Ehepaar Rietschel ist mittlerweile Pate und ermöglicht zwei Studierenden eine Lebensgrundlage.
Durch die Gründerin wurde das Ehepaar Teil des Projektes
„Ausbildung ist das A und O für eine perspektivenreiche Zukunft“, sagt Margit Rietschel überzeugt. Das Ehepaar plante für März dieses Jahres einen Tauchurlaub auf den Philippinen und wurde spontan von Freundin Aurora Kugel, Gründerin des Projektes Ktep, eingeladen das Projekthaus in Toril zu besuchen. Der gelernte Optiker Fred Rietschel sagte zu, die Augen einiger Kinder zu untersuchen. Ohne weitere Informationen machten sich das Ehepaar bereit für ihren Urlaub und den sechstägigen Besuch beim Projekthaus. Der pensionierte Optiker besorgte in etwa 500 gebrauchte Brillen, von denen er die besten 120 aussuchte, reinigte und verpackte. Ein altes Handoptometer, mit welchem man ohne Strom die Augen überprüfen kann, erwies sich im Nachhinein als „sehr, sehr nützlich“. „Anfangs hatte ich wirklich Bauchweh“, erzählt Fred Rietschel, „Ich wusste nicht, was von mir als Optiker erwartet wird.“
Im Dorf verbreitete sich die Neuigkeit über Besuch aus Deutschland schnell: Willkommensplakate, Blumenketten und Gesangseinlagen begrüßten das Ehepaar. Doch statt „ein paar Kindern“standen mehr als 300 Kinder und Erwachsene vor dem Projekthaus und warteten auf eine Augenüberprüfung. „Wir hatten knapp 20 Leute erwartet, aber dass die Not so groß war, damit hatten wir nicht gerechnet.“Mithilfe von zwei Sekretärinnen wurden die Namen und jeweiligen Sehstärken der Untersuchten aufgeschrieben. Da Rietschel bei vielen Torilern eine erhebliche Sehschwäche feststellte, waren die mitgebrachten Brillen nicht genau auf die Augen des Einzelnen abgestimmt – „Das hat das Optikerherz meines Mannes nicht ertragen können“, erzählt Ehefrau Margit. Also kamen sie auf die Idee, bei einem Optikgeschäft ein Dorf weiter passende Brillen zu kaufen. Mithilfe des „Inner-Wheel-Clubs-Lindau“, welcher sich für Hilfsprojekte einsetzt, konnten 800 Euro als Spende gesammelt und für den Kauf der Brillen zur Verfügung gestellt werden.
Eine Vereinbarung mit dem Ladenbesitzer erleichterte das Vorgehen: 14 Euro für eine Brille und dafür durfte sich jeder eine eigene Fassung aus der einfachen Kategorie aussuchen. Zusätzlich konnten von dem Geld noch 30 Lesebrillen gekauft und verteilt werden. Mehrmals am Tag fuhr eine Rikscha mit zehn bis zwölf Personen zum Brillengeschäft. Dort wurden die erfassten Sehstärken der einzelnen Personen genannt und jeder durfte sich sein schönstes Modell aussuchen. „Wir wollten auch, dass die Personen die Brille kriegen, die zu ihnen passt. Besonders die Jugendlichen hatten besondere Vorstellungen von dem, was sie schön finden“, erklärt Margit Rietschel. Bereits einen Tag später waren die Brillen bereit zum Abholen. Trotz der ganzen Freude gab es auch die eine oder andere Person, der mit einer Brille nicht geholfen werden konnte: „Bei blinden Menschen war ich natürlich machtlos“, erzählt Fred.
Zwei Clubs ermöglichten die finanzielle Unterstützung
Selbst nach dem Besuch der Rietschels auf den Philippinen wird das Dorf weiterhin mit Spenden für neue Brillen versorgt – der „InnerWheelClub-Lindau“und der „Rotary-ClubLindau-Dreiländereck“stellen gemeinsam tausend Euro zur Verfügung. Die Rietschels sind Mitglieder in diesen beiden weltweit vertretenen Serviceclubs, die sich für Hilfsprojekte im In- und Ausland einsetzen. Es sind Vereinigungen von Frauen und Männern, die unter anderem mit geplanten Aktionen, wie Basaren oder Festen, Geld sammeln und an bestimmte Projekte spenden – so zum Beispiel das Projekt Ktep auf den Philippinen.
Zurück in Deutschland ist das Ehepaar immer noch in Kontakt mit den Verantwortlichen. Unzählige liebevoll gestaltete Dankeskarten und Briefe von Schülern erreichten die beiden schon nach kurzer Zeit. Die Kinder bedankten sich für die „aufrichtige Liebe, Unterstützung und Großzügigkeit“des Paares und vor allem für die Brillen. Einige erzählten, dass sie dank der Brille jetzt ihrem Traum, Lehrer oder Arzt zu werden, nachgehen können. „Wir waren tief berührt und beeindruckt von der Dankbarkeit. Da kommt so viel zurück“, erzählt Margit Rietschel mit leuchtenden Augen. Trotz der weiten Entfernung möchte das Ehepaar, irgendwann noch einmal das Projekthaus besuchen – wenn es die Umstände zulassen, Denn kurz nach der Aktion bekam der pensionierte Optiker die Diagnose Krebs: „Wir sind froh, das gemacht zu haben, denn man weiß nie, wie viel Zeit man hat.“Und Fred Rietschel fügt hinzu: „Der ganzen Welt kann man nicht helfen, aber jeder kann einen kleinen Beitrag leisten.“