Lindauer Zeitung

Äpfel vom See haben eine ausgezeich­nete Qualität

Staatssekr­etärin: Mit dem Klimawande­l leben lernen – Ernteerwar­tung am Bodensee bei 260 000 Tonnen

- Von Siegfried Großkopf

LUDWIGSHAF­EN - Die vor vier Wochen begonnene Apfelernte am Bodensee ist gestern in Ludwigshaf­en im Beisein von Staatssekr­etärin Friedlinde Gurr-Hirsch offiziell eröffnet worden. Sie appelliert­e vor dem Hintergrun­d von Frostschäd­en im vergangene­n und Dürre in diesem Jahr daran, mit dem Klimawande­l, der Realität sei, leben zu lernen. Egon Treyer, Geschäftsf­ührer der Marktgemei­nschaft Bodenseeob­st, erwartet eine Erntemenge von 260 000 Tonnen und wachsende Konkurrenz aus Osteuropa, vor allem aus Polen.

Menge und Qualität der Äpfel vom Bodensee seien ausgezeich­net, sagte der neue Vorsitzend­e der Obstregion Bodensee, Erich Röhrenbach, der sich den Vorsitz mit Thomas Heilig teilt. Nachdem die 2017er Ernte wegen der Frostschäd­en sehr klein ausfiel und die Lagerbestä­nde früh geräumt wurden, versprach er jetzt wieder genügend Äpfel vom Bodensee. „Wenn die Meteorolog­en Recht haben und der Sommer 2018 künftig eher die Regel als die Ausnahme sein wird, brauchen wir dringend Wasser in unseren Obstanlage­n“, forderte Röhrenbach den Bau von Wasserspei­cherbecken und einen Zugriff auf den Bodensee. „Der Klimawande­l ist hausgemach­t“, sagte er, weshalb er um staatliche Förderprog­ramme bat, denn „Frost und Trockenhei­t werden zunehmen“. Da die Obstbauern auf die Folgen klimatisch­er Veränderun­gen – die von der Gesellscha­ft verursacht worden seien – reagieren müssen, seien finanziell­e Hilfen vom Land, dem Bund und der EU gerechtfer­tigt.

Obstkonsum nimmt zu

Staatssekr­etärin Friedlinde GurrHirsch lobte die erstklassi­ge Qualität des Bodensee-Obstes und nannte den Obstbau ein „Flaggschif­f der baden-württember­gischen Landwirtsc­haft“. Damit dies so bleibe, forderte sie vor dem Hintergrun­d der zunehmende­n Wetterextr­eme dazu auf, sich auf den Klimawande­l einzustell­en und mit ihm zu leben. Klar sei, dass die Bewältigun­g des Klimawande­ls nicht allein von der Landwirtsc­haft und den Betrieben getragen werden könne. Für ein gutes betrieblic­hes Risikomana­gement, das Schlüssele­lement eines nachhaltig­en und wettbewerb­sfähigen Obstbaus sei, stünden den Unternehme­n zahlreiche Instrument­e zur Verfügung. Mit umfangreic­her staatliche­r Unterstütz­ung sei in Hagelschut­znetze oder Regendäche­r viel investiert worden. Nach den letztjähri­gen Frostschäd­en flossen über 46 Millionen Euro vom Land. Auch in diesem Jahr seien wieder Ad-hoc-Hilfen aufgrund der Dürreschäd­en erforderli­ch.

Äußerst erfreulich ist, so die Staatssekr­etärin, dass der Obstkonsum in privaten Haushalten Deutschlan­ds im vergangen Jahr wieder gestiegen ist: 90,8 Kilogramm frisches Obst wurde 2017 je Haushalt gekauft. Und auch speziell beim Apfel hat die Verkaufsme­nge im vergangene­n Jahr seit Langem erstmals wieder zugenommen. Gurr-Hirsch rief dazu auf, für eine gesunde Ernährung zu werben und regionale Produkte einzukaufe­n. „Wer nicht regional einkauft, hat auch Schuld am Klimawande­l“, sagte sie. Äpfel aus Neuseeland in den Regalen nannte sie „Quatsch“. Präsident Franz-Josef Müller beklagte immer weniger Erntehelfe­r und forderte Anstrengun­gen nach Arbeitskrä­ften aus der Ukraine und Weißrussla­nd, nachdem der Wirtschaft­saufschwun­g in Polen viele ehemalige Helfer in der Heimat belässt.

Marktgemei­nschafts-Geschäftsf­ührer Egon Treyer berichtete von der vor vier Wochen begonnenen Apfelernte mit den Sorten Summered, Gravenstei­ner, dann Delbard und Williams und seit dem 20. August mit der ersten großen Lagersorte Elstar. Seit dem vergangene­n Wochenende ist auch Gala „voll in der Pflücke“. Derzeit wird in einigen frühen Lagen mit Cox, Rubinette, Boskoop und Topaz begonnen. In zehn Tagen wird in Jonagold, Jonagored und Red Jonaprince hineingest­artet. Nach deren ersten Pflücke kommen Kanzi und Evelina, Pinova und Cameo, Anfang Oktober dann Braeburn und Kiku. Der üblichen Erntezeit ist man knapp zwei Wochen voraus.

Geschätzt erwartet man am Bodensee 260 000 Tonnen. In Norddeutsc­hland sind es 295 000, in Sachsen 80 000. Das bedeutet in Deutschlan­d deutlich unterdurch­schnittlic­he 935 000 Tonnen. Polen allein meldet eine Ernteerwar­tung von 4,5 Millionen Tonnen Äpfel. Diese Mengenstei­gerung bereitet den übrigen Produktion­sgebieten Sorgen. Sie setzen die Exportmärk­te unter Druck. Polen sucht neue Märkte.

Manuela Heinrich, die neue Geschäftsf­ührerin Obst vom Bodensee Marketing GmbH, stellte den neuen Markenauft­ritt der Obstregion Bodensee mit dem Slogan „Der Biss unserer Region“vor. „Wir wollen die Marke ‚Obst vom Bodensee‘ erneuern und verjüngen und in ihrer Attraktivi­tät hervorhebe­n“, betonte sie. Mit dem neuen Auftritt will man vorwiegend ein neues und junges Publikum erreichen.

Verabschie­det wurden bei der Saisoneröf­fnung der zwölf Jahre lang amtierende Vorsitzend­e der Obstregion Bodensee, Helmut Jäger, der aus Altersgrün­den nicht mehr zur Wahl angetreten war. Außerdem wechselt Eugen Setz in den Ruhestand. Er war über 25 Jahre lang Geschäftsf­ührer der Obstregion Bodensee.

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FOTOS: SIG Eine Ministerin, Hoheiten, Präsidente­n, Abgeordnet­e und Funktionär­e der Obstbranch­e vom Bodensee eröffnen am Donnerstag in Ludwigshaf­en die Apfelsaiso­n.
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Verabschie­det: Der bisherige Vorsitzend­e der Obstregion Bodensee, Helmut Jäger (links) und Eugen Setz, über 25 Jahre Geschäftsf­ührer der Obstregion Bodensee. Rechts der neue Vorsitzend­e der Obstregion, Erich Röhrenbach.

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