Mutter unterstützt Sohn beim Marihuana-Anbau
Viele Tränen und 4000 Euro Strafe: Landgericht Ravensburg hebt Freispruch des Amtsgerichts auf
die Zahlung einer Geldbuße von 2000 Euro einzustellen, nicht einverstanden. „Ich habe nichts gemacht, ich habe nichts gemacht“, wiederholte sie unter Tränen, in die sie im Laufe der Verhandlung mehrfach ausbrach. Sie habe zwar im Frühjahr 2016 Hanfsamen aus dem Bioladen gekauft, nicht die karamellisierten wie sonst, sondern mal die „ohne alles“. Die hätten aber nicht so gut geschmeckt, weshalb sie sie eingepflanzt habe – ganz ohne Hintergedanken.
Chatprotokoll belastet Angeklagte
Gedanken habe sie sich auch nicht gemacht, als ihr Sohn über eine Internetplattform auf ihren Namen, mit ihrem Account und ihrer Kreditkarte Utensilien wie Lüfter und Lampe für den professionellen Anbau von Betäubungsmitteln gekauft habe – und auch die merkwürdigen Pflanzen auf ihrem Balkon und Terrasse habe sie nicht bemerkt. Wohl aber den Marihuana-Konsum ihres Sohnes, den „ich nicht gut geheißen habe, Herr Richter“, wie sie beteuerte. „Das ist aber ja schon seltsam, wenn ich weiß, dass der Sohn gelegentlich solche Sachen raucht und gleichzeitig die Hanfpflanzen da rumstehen“, befand Richter Schall. „Nein, Herr Vorsitzender, das ist etwas ganz anderes“, klärte die über 60-Jährige auf. Denn die Pflanzen aus dem Bioladen seien Nutzpflanzen, hätten kaum THC-Gehalt und brächten im Verkauf nur etwa zwei bis drei Euro während „richtige“mindestens fünf Euro bringen würde.
Doch das Chat-Protokoll, das der Vorsitzende fast anderthalb Stunden lang verlas sowie die Aussagen des ermittelnden Polizeihauptkommissars legten nahe, dass es sich bei den Pflanzen auf ihrem Balkon nicht allein um Nutzhanf – für dessen Anbau es übrigens auch einer Erlaubnis bedarf – handelte. So hat es im vergangenen Jahr gegen ihren Sohn und seinen Freund – zwischen denen die Chats stattgefunden hatten – ebenfalls Gerichtsverfahren gegeben, in denen zahlreiche Konsumenten als Zeugen angehört worden seien und niemand habe sich „da über die Qualität des verkauften Marihuanas beschwert“, so der Polizeibeamte im Zeugenstand.
Nachdem der Sohn seine Aussage am Dienstag verweigerte, stützte sich Richter Schall vor allem auf die besagten Nachrichten, in dem sich der Sohn und sein Freund über Monate über die Qualität der Pflanzen, die Hege und Pflege, die Verkaufspreise sowie Sorten austauschten – und in denen der Sohn unter anderem mitteilte, dass er seiner Mutter bereits 18 Gramm von dem geernteten Marihuana abgegeben habe.
Zwar versuchte der Anwalt der Mutter noch, den Richter darauf hinzuweisen, dass sowohl der Sohn als auch der Freund unter psychischen Problemen litten und es sich bei den Nachrichten deshalb vollkommen um „Hirngespinste“handele – doch Rolf-Peter Schall fasste in der Urteilsbegründung schließlich zusammen: „So blauäugig sind wir nicht.“Es bestünde kein Anlass, dass innerhalb des Chats jemand die Unwahrheit gesagt habe, zudem sei der Nachrichtenverlauf zu konkret gewesen und über viele Monate gelaufen. In der Gesamtschau gebe es keinen Zweifel: „Sie haben sich an den Betäubungsmittelgeschäften ihres Sohnes beteiligt – und das ist ganz frevelhaft“, begründete er das „empfindliche Urteil“.
Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft, die übrigens gegen das Amtsgerichtsurteil Berufung eigelegt hatte, 80 Tagessätze à 40 Euro, der Verteidiger dagegen einen erneuten Freispruch gefordert.