Ärger im Wald
Projekt im Allgäu will Radler und Wanderer versöhnen
BAD HINDELANG (dpa) - So manchem Bergwanderer ist in dieser Situation bereits der Schreck in die Glieder gefahren: Auf einem steilen Schotterweg unterhalb des Gipfels schießt plötzlich ein Radfahrer vorbei. Böse Blicke und laute Rufe sind nicht selten die Folge. Solche Zwischenfälle können in den Sommermonaten praktisch in allen Bergregionen beobachtet werden – und das hat Folgen: Etliche Fußgänger und auch Bergbauern sehen das Verhalten von Mountainbikern in den Alpen als wenig rücksichtsvoll an, umgekehrt empfinden die Radsportler sich häufig zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Zahl der Radfahrer steigt stark
Hintergrund des Ärgers ist, dass seit den 1980er-Jahren die Zahl der Radfahrer in den Bergen stark ansteigt und durch neue Technologien der Trend unvermindert anhält. Inzwischen ermöglichen E-Bikes auch nicht so gut trainierten Radlern, Steigungen ohne große Mühe zu nehmen. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes war 2017 jedes fünfte in Deutschland verkaufte Elektrorad ein Mountainbike (MTB), wobei der Absatz dieser Modelle weiter stark wachse.
Um den seit Jahren schwelenden Konflikt zu entschärfen, hat der Deutsche Alpenverein (DAV) ein dreijähriges Projekt gestartet. In zwei Regionen, rund um Bad Tölz in Oberbayern und um Oberstdorf im Allgäu, soll dabei herausgefunden werden, mit welchen Maßnahmen Spannungen zwischen Mountainbikern, Grundbesitzern und Wanderern vermieden werden können.
Das Projekt „Bergsport MTB – nachhaltig in die Zukunft“kostet rund 350 000 Euro, der größte Teil davon kommt von der bayerischen Staatsregierung. Nach der Übergabe des Förderbescheids durch Bayerns Umweltminister Marcel Huber (CSU) am Mittwoch in Bad Hindelang soll das Modellvorhaben in Fahrt kommen.
Den DAV mit seinen mehr als 1,2Millionen Mitgliedern trifft das Problem selbst im Kern. Denn längst repräsentiert der Alpenverein nicht mehr nur Wanderer und Kletterer, auch viele Mountainbiker sind dabei. „Knapp die Hälfte der Mitglieder gibt an, öfter mal mit dem Rad in den Bergen unterwegs zu sein“, zitiert DAV-Sprecher Thomas Bucher das Ergebnis von Umfragen.
Ein Ende der Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen ist nicht in Sicht – im Gegenteil: „Es ist eher schlimmer geworden, weil noch die E-Bikes dazugekommen sind“, sagt Bucher. In Tirol gibt es bereits seit zwei Jahrzehnten MTB-Programme. Die Österreicher haben früh erkannt, dass die Bergradler auch eine nennenswerte Einnahmequelle für den Tourismus sind. Für die Branche ist dies auch wichtig, um neue Kunden zu erreichen: „Der Sport Mountainbiken ist vor allem bei der jüngeren Zielgruppe sehr beliebt“, heißt es im Konzept des Tiroler „Mountainbikemodells 2.0“von 2014.
Im Unterschied zu Deutschland ist in Österreich das Radfahren im Wald grundsätzlich verboten. Das Modell basiert auf einer bedarfsgerechten Freigabe ausgewählter MTB-Strecken durch Verträge zwischen Wegerhalter und Gemeinden. In Tirol werden deswegen Verträge mit Grundbesitzern geschlossen, damit diese ihre Wege für Zweiräder freigeben. Dafür können die Eigentümer ein jährliches Entgelt berechnet nach der Länge der Route erhalten. Zudem schützt das Bundesland Tirol die Eigentümer der Wälder und Wiesen mit einer Haftpflichtversicherung, wenn es durch das Mountainbiken zu Unfällen kommt.
Fahrverbote vermeiden
In Deutschland kümmert sich die Deutsche Initiative Mountain Bike (DIMB) um ein gutes Miteinander der Bergurlauber. Sie hat umfangreiche Verhaltensgrundsätze für Radler formuliert. Die MTB-Sportler werden darin nicht nur zur Rücksicht auf Weidetiere und Fußgänger aufgefordert. Auch sei das Bremsen mit blockierenden Reifen außer in Notsituationen tabu, um den Boden nicht zu schädigen. Die DIMB will mit diesen Regeln verhindern, dass es durch „Fehltritte von ein paar wenigen BikerInnen“zu pauschalen Fahrverboten kommt.
Manche Fahrradhasser greifen dennoch zur Selbstjustiz. Insbesondere vergrabene Nagelfallen werden immer wieder gefunden. So fuhr im Dezember 2016 ein Radler in einem Wald beim schwäbischen Aichach in solch eine Falle, im Landkreis Ravensburg (Baden-Württemberg) meldete die Polizei im März 2017 einen ähnlichen Anschlag.
Im niedersächsischen Bad Iburg gab es vor zwei Jahren sogar einen Verletzten. Ein Wanderer trat in eine mit Schrauben und Nägeln präparierte Baumwurzel.