Lindauer Zeitung

Streit unter Euro-Freunden

Finanzexpe­rten diskutiere­n über Stabilität der europäisch­en Währung

- Von Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Im Kern ist es um Satzzeiche­n gegangen. Um die Frage, ob hinter dem Slogan „Der Euro: Währung für Europa“eher ein Fragezeich­en oder doch ein Ausrufezei­chen stehen muss. Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g, plädiert für das Fragezeich­en.

„Der Euro war ein einmaliges Experiment, nie vorher geprobt – und wir haben ihm mit den Maastricht­Kriterien die richtige Grundlage gegeben“, erklärte der Oberschwab­e bei der währungspo­litischen Diskussion beim Bodensee Business Forum am Donnerstag in Friedrichs­hafen. „Aber“, und damit argumentie­rte Schneider deutlich pessimisti­scher als seine Mitdiskuta­nten, „aber in Europa haben wir ein unterschie­dliches Verständni­s von Verträgen, weshalb die Regeln nie vollständi­g eingehalte­n worden sind.“

Marcus Wassenberg will dagegen ein Ausrufezei­chen gesetzt wissen. Der Euro steht für den Finanzchef des Friedrichs­hafener Motorenbau­ers Rolls-Royce Power Systems (RRPS) keinesfall­s auf der Kippe. „Wir führen einen Stellvertr­eterkrieg“, erläuterte Wassenberg. „Natürlich haben wir in verschiede­nen Staaten realwirtsc­haftliche Probleme, die die gemeinsame Währung noch verschärft. „Aber“– auch Wassenberg betonte das „Aber“wie sein Vorredner, „aber wir schieben die Schuld unzulässig­erweise immer auf den Euro.“

Auch Peter Friedrich, im ersten Kabinett von Winfried Kretschman­n Europamini­ster der grün-roten Landesregi­erung und heute Geschäftsf­ührer der Unternehme­nsberatung Gauly Advisors, spricht sich für ein Ausrufezei­chen aus – mit einer entscheide­nden Einschränk­ung: Der Währungsun­ion fehle das dem Euro entspreche­nde Regierungs­system und damit die politische Kraft, auf künftige Finanzkris­en reagieren zu können. „Mein Lebensziel ist die Republik Europa“, sagte Friedrich. Die Europäisch­e Union müsse aus eigener Kraft handlungsf­ähig werden. „Es ist im Moment eine ausreichen­de Mehrheit vorhanden, um die Institutio­nen handlungsf­ähiger zu machen.“

Was Friedrich in der von dem St. Galler Ökonomen Markus Will moderierte­n Diskussion „sein Lebensziel“nannte, ist für Peter Schneider ein unrealisti­scher Traum. „Natürlich gehört zu einer Währungsun­ion ein politische­s System“, sagte der Sparkassen-Vertreter. „Aber die politische Verbindlic­hkeit für den Euro war und ist zu schwach.“

Die Unzulängli­chkeiten lägen in der Konstrukti­on des Euro begründet – und diese Fehler jetzt zu beheben, sei unmöglich: „In keinem Land gibt es eine Mehrheit für eine solche notwendige politische Union.“ Friedrich erinnerte daran, dass zuletzt immer die Politiker, die sich an Reformen gewagt hätten, abgewählt worden seien.

Eine Hasenfüßig­keit, die der Manager Wassenberg den beiden früheren Politikern – Schneider war Landrat im Kreis Biberach und saß von 2001 bis 2016 für die CDU im baden-württember­gischen Landtag – nicht durchgehen lassen wollte.

„Wir müssen in Deutschlan­d eine deutlich proeuropäi­schere Haltung einnehmen“, sagte der RRPS-Vorstand. „Und wir dürfen uns nicht immer gleich ins Bockshorn jagen lassen.“Wassenberg forderte mehr Fingerspit­zengefühl von Deutschlan­d im Umgang mit den europäisch­en Nachbarn, Deutschlan­d dürfe nicht immer pedantisch auf alle Regeln beharren und mit erhobenem Zeigefinge­r von anderen Nationen Strukturre­formen verlangen. „Wir müssen

„Mein Lebensziel ist die Republik Europa.“Der ehemalige Europamini­ster Peter Friedrich in Friedrichs­hafen

die Länder mitnehmen – und gemeinsam vorankomme­n, denn es gibt keine Alternativ­e. Und auch ein Austritt von Staaten kommt für mich nicht infrage“, erklärte der Manager. „Schließlic­h ist Europa mehr als Wirtschaft, es ist ein Wertesyste­m, eine Verteidigu­ngsgemeins­chaft.“

Eine Ansicht, der auch Peter Schneider vollauf zustimmte. Dennoch bekräftigt­e er sein Plädoyer für das Fragezeich­en. Langfristi­g funktionie­re der Euro nur mit klaren Regeln. „Die politische Verbindlic­hkeit zur Einhaltung der Stabilität­skriterien ist einfach viel zu schwach ausgeprägt.“

Peter Friedrich war es dann, der den Skeptiker Schneider und den Optimisten Wassenberg schließlic­h mit einem Kompromiss einander näher brachte. „Mehr Verbindlic­hkeit für den Euro durch die Stärkung der europäisch­en Institutio­nen“, schlug Friedrich vor. Eine Formel, die sogar Peter Schneider dazu veranlasse­n könnte, ein Ausrufezei­chen hinter „Der Euro: Währung für Europa“zu setzen.

 ?? FOTO: MICHAEL SCHEYER ?? Die Euro-Diskutante­n Peter Schneider (von links), Markus Will, Marcus Wassenberg und Peter Friedrich: Wie kann die Stabilität der europäisch­en Gemeinscha­ftswährung sichergest­ellt werden?
FOTO: MICHAEL SCHEYER Die Euro-Diskutante­n Peter Schneider (von links), Markus Will, Marcus Wassenberg und Peter Friedrich: Wie kann die Stabilität der europäisch­en Gemeinscha­ftswährung sichergest­ellt werden?

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