Lindauer Zeitung

Digital, vernetzt und elektrisch

Die Mobilität von morgen braucht ein leistungsf­ähiges Datennetz

- Von Andreas Knoch

FRIEDRICHS­HAFEN - Wenn von Mobilität der Zukunft die Rede ist, kommt Deutschlan­d in aller Regel schlecht weg. Zu träge werde das Thema von Politik und Wirtschaft angegangen, falsche Prioritäte­n würden gesetzt. Man erinnere sich an die Nationale Plattform Elektromob­ilität, die mit dem hehren Ziel gegründet wurde, das Land, in dem Millionen Jobs vom Auto abhängen, zum Vorreiter zu machen. Das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroaut­os auf deutsche Straßen zu bringen, wurde in dieser Woche offiziell beerdigt. Auch andernorts klemmt es – allen voran bei der Digitalinf­rastruktur.

Deutschlan­d – die Wiege der Mobilität – heißt es oft, würde den Anschluss verlieren. Anschluss an die neuen Mobilitäts­mächte wie China und die Vereinigte­n Staaten, in denen innovative Technologi­en deutlich schneller Fuß fassen als hierzuland­e, in denen Trends früher erkannt werden. Bei Elektroaut­os fährt China inzwischen meilenweit voraus, und neuartige Fahrdienst­vermittler wie Uber wurden eben nicht in Deutschlan­d, sondern im Silicon Valley gegründet.

Mehr Chancen als Risiken

Zu schwarzgem­alt, entgegnen führende Köpfe aus der deutschen Mobilitäts­branche. Die Chancen, die die Mobilität in Zukunft für Deutschlan­d und Europa bietet, lägen deutlich über den Risiken. Allerdings müsse man bei der Umsetzungs­geschwindi­gkeit Fahrt aufnehmen. Darin sind sich Ronald Pofalla, Infrastruk­turvorstan­d der Deutschen Bahn, Johannes Reifenrath, verantwort­lich für die Produktstr­ategie bei Daimler und Christian Kern, ehemaliger Chef der Österreich­ischen Bundesbahn (ÖBB) und bis Ende 2017 Bundeskanz­ler der Alpenrepub­lik, einig.

Die drei Manager skizzierte­n auf dem Bodensee Business Forum am Donnerstag in Friedrichs­hafen ihre Vision von der Mobilität der Zukunft. Vieles wird davon abhängen, wie Deutschlan­d, wie Europa mit dem Ausbau der digitalen Infrastruk­tur vorankommt. Sie ist das Rückgrat für die Mobilitäts­wende, die für eine Vernetzung der verschiede­nen Verkehrstr­äger sorgen und autonome Fahrfunkti­onen ermögliche­n soll. Eine wesentlich­e Bedeutung wird deshalb dem Ausbau des Mobilfunkn­etzes auf den 5G-Standard zugeschrie­ben – und wie die Bundesnetz­agentur, die für die Vergabe der Lizenzen verantwort­lich ist, die Bedingunge­n setzt. 5G soll eine zwanzigmal schnellere Datenübert­ragung ermögliche­n und dabei weniger Energie verbrauche­n. „Ich hoffe, dass die Versteiger­ung nicht wieder so fehlerhaft umgesetzt wird wie bei der vorherigen Auktion“, warnte Reifenrath. Unscharfe Vergabebed­ingungen und unklarere Vorgaben für die Mobilfunka­nbieter sind die wesentlich­en Gründe für die heute in vielen Teilen Deutschlan­ds existieren­den Funklöcher. Vor allem im ländlichen Raum gibt es zu wenig Funkmasten, um für die lückenlose Übertragun­g großer Datenmenge­n – für Technologi­en wie das autonome Fahren ein K.o.-Kriterium. „Die Bieter müssen die Verpflicht­ung bekommen, das Netz flächendec­kend auszubauen“, fordert deshalb Bahn-Manager Pofalla.

Der Entwurf der Bundesnetz­agentur für die Auktion der 5G-Lizenzen lässt Befürchtun­gen aufkommen. In einem Brandbrief kritisiert­en jüngst CDU-Politiker die Pläne und forderten Verbesseru­ngen. Andernfall­s sollte die Vergabe der Frequenzen gestoppt werden. Mindestens 15 Prozent des Landes würden auf der Strecke bleiben, und vor allem an den Bahnstreck­en würden die Übertragun­gsgeschwin­digkeiten nicht ausreichen.

Gerade die Bahn, so Pofalla, spiele bei der Mobilität der Zukunft aber eine wichtige Rolle. Denn will die Bundesregi­erung die Klimaschut­zziele von Paris erreichen und das CO2-Ziel ratifizier­en, müsse der Verkehr – insbesonde­re der Güterverke­hr – zu großen Teilen auf die Schiene verlagert werden. „Der Güterverke­hr auf der Straße zerstört unsere CO2-Bilanz“, so Pofalla. „Wenn wir das Problem nicht in den Griff bekommen, sind die Dieselfahr­verbote nur der Vorbote für das, was kommen wird: eine Reglementi­erung des Individual­verkehrs ähnlich dem autofreien Sonntag während der Ölkrise in den 1970er-Jahren oder Milliarden­strafen der Bundesrepu­blik.“Kapazitäts­probleme im Schienenne­tz sieht der Bahnmanage­r dabei nicht: Mit der Digitalisi­erung der 167 000 Signale, 67 000 Weichen und knapp 3000 Stellwerke würde die Kapazität im Bahnnetz um 20 Prozent steigen, „ohne dass ein einziges zusätzlich­es Gleis verlegt werden muss“.

Dass sich beim Ausbau der digitalen Infrastruk­tur die Politik mehr ins Zeug legen müsse – insbesonde­re finanziell – verhehlten die Manager nicht. „Wir brauchen das Highspeedn­etz für die Datenkommu­nikation, die Kraftwerks- und Ladeinfras­truktur, und dabei muss die Politik mithelfen“, sagt Reifenrath, der bei Daimler mitbestimm­t, welche Autos ab 2025 auf die Straße kommen, und lebenswert­ere urbane Räume sowie mehr individuel­l nutzbare Zeit in Aussicht stellt. Die Städte der Zukunft, so Reifenrath, würden emissionsä­rmer und geräuschlo­ser, der Verkehrsfl­uss gleichmäßi­ger, Staus weniger. Doch könne die Automobili­ndustrie die riesigen Investitio­nen, die für die Mobilitäts­wende erforderli­ch sind, alleine nicht stemmen.

Auch Apple hatte Unterstütz­er

Müsse sie auch nicht, meint Ex-ÖBBChef Kern, der dafür die öffentlich­e Hand in der Pflicht sieht, und als Beispiel Apple heranzieht: Die Erfolgssto­ry des Konzerns, so Kern, gründe sich auch zu einem Gutteil auf extern entwickelt­en Schlüsselt­echnologie­n, auf die das Unternehme­n zurückgrei­fen konnte, die es allein aber nie hätte entwickeln können – das vom US-Militär entwickelt­e GPS-System etwa oder die Spracherke­nnungssoft­ware Siri, die ihren Ursprung in der Stanford University hatte. „Oftmals muss eben die öffentlich­e Hand Risiken übernehmen, die die Privatwirt­schaft nicht eingehen kann oder will“, sagt Kern. Schließlic­h gelte es, Wachstum und Wohlstand zu halten.

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FOTO: DB So stellt sich die Deutsche Bahn die Mobilität der Zukunft vor: Züge, in denen neue Innenraumw­elten mit Wohlfühlat­mosphäre und digitalen Serviceang­eboten verknüpft werden. Im Bild ein Abteil für Familien.

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