Besser bezahlen, mehr entlasten
Oberallgäuer Grüne und Linke wollen den Fachkräftemangel in der Pflege bekämpfen
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Lösungen für den Fachkräftemangel in der Pflege finden und dabei das Berufsbild attraktiver machen. Das wollen die Direktkandidaten im Stimmkreis Kempten-Oberallgäu Erna-Kathrein Groll (Grüne) und Kevin Gebhardt (Linke). Für die beiden ist der Fachkräftemangel der Dreh- und Angelpunkt, um die Situation in der Pflege zu entschärfen.
Die Lage ist derzeit auch in der Region ziemlich angespannt (siehe Infokasten ). Was würden Groll und Gebhardt auf Landesebene tun, um mehr Pflegekräfte zu bekommen? Zum einen die Bezahlung verbessern: Die Gehälter in Deutschland seien im Vergleich etwa zur Schweiz deutlich niedriger, sagt Groll. So bekommt eine Pflegefachkraft laut der Gewerkschaft Verdi und dem Internetportal Lohnanalyse.de einen durchschnittlichen Jahresbruttolohn (bei Vollzeit) von über 36 900 Euro in Bayern – in der Schweiz dagegen über 62 200 Euro. Freilich müsse man dabei Erfahrung, Alter, Ausbildungsstand und Träger berücksichtigen, sagt Groll (Grüne). Dennoch sei in Bayern beim Verdienst noch „deutlich Luft nach oben“. Dies sei mit ein Grund, eine unabhängige Beratung und Interessensvertretung einzuführen – von einer bayerischen Pflegekammer.
Gebhardt (Linke) fordert konkret zwölf Euro Mindestlohn pro Stunde für jede Pflegekraft sowie ein monatliches Bruttogehalt von 3000 Euro für jede Pflegefachkraft. Der 20-Jährige hatte selbst vier Jahre lang in der Altenpflege gearbeitet und sagt nun: „Es kann nicht sein, dass wir Menschen, die sich jeden Tag für andere aufopfern, mit Hungerlöhnen abspeisen.“
Zum anderen wollen Gebhardt und Groll die Pflegekräfte durch bessere Personalschlüssel entlasten, was weniger Pflegende auf mehr Pflegekräfte bedeutet. Die Berechnung der Schlüssel sei veraltet, sagt Gebhardt. Um das zu verstehen, müsse man auf die Geschichte zurückblicken: Vom Verständnis des Dienstes am Nächsten für ein „Vergelt’s Gott“bis zu den Wirtschaftsunternehmen von heute, die mit anderen konkurrieren. „Je nach Region versucht ein Träger, den anderen zu unterbieten.“Was bedeute, mit weniger Personal auszukommen als die Konkurrenz. Und wer zwischen mehreren Heimen wählt, bevorzuge in der Regel das günstigere. Zudem werde es immer schwieriger, Personal zu finden. Trägervertreter der Heime hätten aber nicht das geringste Interesse an besseren Personalschlüsseln. Dem könne man entgegenwirken, indem man die Heimkosten gesetzlich regelt – so würden sich die Heime durch Ambiente, Freundlichkeit und Lage aber nicht durch Kosten unterscheiden.
Groll von den Grünen würde dagegen verbindliche Dienstpläne schaffen, die Freizeit verlässlich sicherstellen sowie die Bereitschaftszeiten, die übrigens sehr familienunfreundlich seien, eingrenzen. Zudem müsse man auf die Unterstützung der körperlich schweren Arbeit hinwirken, Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen fördern sowie die Digitalisierung als Unterstützung bei der Pflegearbeit weiter vorantreiben.
Aber: Die Politik kann die Personalschlüssel nicht verändern. Diese auszuhandeln und festzulegen ist laut dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege ausschließlich Aufgabe der Selbstverwaltung – bestehend aus Kostenträgern und Leistungserbringern – in der sogenannten Landespflegesatzkommission. Die Staatsregierung sei daran in keiner Weise beteiligt und habe in der Kommission weder ein Antragsnoch ein Mitspracherecht.
Was also würden die Grünen und die Linke politisch tun, damit sich die Personalschlüssel verbessern? Etwa über Fördermaßnahmen die Träger dazu bringen, schlägt Groll vor. Beispielsweise indem der Freistaat Betriebskosten übernimmt, damit die Träger mehr Geld ins Personal stecken. Außerdem „müssen wir in allen Bereichen der Pflege auf die Tarifbindung hinarbeiten“. Darüber hinaus will Groll generell die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Pflege überwinden. Und neue Konzepte und Projekte fördern – wie Kurzzeitpflegeeinrichtungen, Demenzdörfer und ein Infoportal für die Vermittlung von Kurzzeitpflegeplätzen.
Und wie will die Linke Einfluss auf Träger und Personalschlüssel nehmen? „Durch Aufklärungsarbeit, Gesetzesentwürfe und aktive politische Arbeit“, antwortet Gebhardt. Dies zeige etwa das Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand“der Linken. Der gelernte Altenpfleger wünscht sich, dass der Beruf in der Öffentlichkeit „endlich die ihm zustehende Anerkennung erhält“. Nur so könne er attraktiver werden. Eine Fachkraft lege nach dreijähriger Ausbildung ein Staatsexamen ab, wozu man sehr viel Fachwissen benötige.