Michael Schlotter braucht kein Facebook
Der 19-Jährige Linke sieht seine Chancen bei der Landtagswahl realistisch
LINDAU - Nichts geringeres als die Welt zum Guten verändern will Michael Schlotter, Landtagskandidat der Linken. Der 19-Jährige aus Fischen im Allgäu setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein – und das lieber analog als digital. Denn Facebook, Twitter oder Instagram, davon hält er überhaupt nichts.
„Ich bin ein Social-Media-Gegner – und -Laie“, sagt Michael Schlotter und lacht. Dass er damit in seinem Freundeskreis relativ allein dasteht, ist ihm egal. Ebenso wie die Tatsache, dass er sich damit ein Stück Reichweite entgehen lässt. Denn andere Politiker nutzen die sozialen Medien im Internet, um für sich zu werben. Doch Schlotter wollte dafür kein privates Profil benutzen. „Und ein Politikerprofil hätte ich albern gefunden – vor allem als Provinz-Politiker.“
Konstantin Wecker hat ihn politisiert
Abgesehen davon gefällt Schlotter nicht, dass sich in den sozialen Medien eine Blase um die Nutzer bildet, indem diesen nur die Meinungen und Themen vorgesetzt werden, die zu ihrer Gesinnung passen. „Es ist wahrscheinlich besser, wenn man da gar nicht dabei ist.“
Statt in der virtuellen bewegt sich Schlotter eben lieber in der echten Welt. Zum Beispiel habe er zu Beginn des Wahlkampfs vier Tage lang am Stück „das komplette Allgäu“plakatiert. Zu sehen ist er allerdings auf keinem der Plakate. „Wir haben uns gegen Personenplakate entschieden und setzen mehr auf Inhalte“, sagt Schlotter, der sich selbst als „sehr willensstark“beschreibt. „Natürlich gehe ich Kompromisse ein, aber ich versuche, meine eigene Haltung dabei nicht zu verlieren.“
Zuhause bei den Eltern, die ihn im Wahlkampf vor allem dadurch unterstützen, dass sie ihm ihr Auto leihen, muss der Student ebenfalls einen Kompromiss eingehen. „Am Esstisch wird nicht über Politik geredet“, erzählt Schlotter, dessen vier Jahre älterer Bruder Hochgebirgsjäger ist, und lacht.
Der frisch gebackene Politiker wirkt für einen 19-Jährigen extrem reflektiert. Vielleicht liegt das daran, dass er, wie er erzählt, von Liedermacher Konstantin Wecker politisiert wurde. „Da wurde ich vom Herzen her links“, sagt Schlotter.
Mit 15 ist er in die entsprechende Partei eingetreten, seit Gründung des Kreisverbands Allgäu ist er dort Mitglied im Vorstand. Als der Vorschlag zur Kandidatur kam, habe er nicht lange überlegt. „Ich habe sofort gesagt, ich mache das.“
Denn Michael Schlotter hat eine Mission: „Wenn man den Zeitgeist verändern will, muss man den Menschen bewusst machen, wie schlimm es zugeht.“Besonders schlimm geht es für ihn in der Pflege zu – und das erfährt der 19-Jährige tagtäglich aus nächster Nähe, denn sein Vater ist seit 45 Jahren Krankenpfleger. Während in Deutschland ein Pfleger auf 13, nachts sogar auf 26 Patienten komme, sei zum Beispiel in Skandinavien ein Pfleger nur für sechs Patienten zuständig. „Die Lage spitzt sich bei uns immer weiter zu“, erklärt Schlotter. Aus diesem Grund müsse so schnell wie möglich etwas passieren – zumal es eh Jahre dauere, bis genügend neue Pfleger ausgebildet sind. „In Kempten hat erst kürzlich ein Altenpflegeheim zugemacht“, erzählt er. Und er fürchtet, dass dies nicht das einzige bleibt.
Auch für den sozialen Wohnungsbau will sich der junge Politiker einsetzen – ein Thema, mit dem er zurzeit ebenfalls hautnah konfrontiert ist: Er sucht ein Zimmer in München, wo er ein duales Studium der Verwaltungswissenschaft beginnt. Beeindruckt habe ihn da eine Demonstration in Würzburg vor rund eineinhalb Jahren. Damals hatten die Protestierenden Sofas auf den Marktplatz gestellt, um zu zeigen, dass sie nun wohl die Straße zum Wohnzimmer machen müssten.
Gegen Hartz IV und Grundeinkommen
Schlotter wünscht sich Gerechtigkeit. Und die findet er in der aktuellen Bundespolitik nicht immer. Er ist entschiedener Gegner von Hartz IV. „Ich bin kein Freund davon, dass auch höher qualifizierte Leute sich auf niedrigere Jobs bewerben müssen“, erklärt er. Allerdings gefällt ihm auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens nicht, das Teile seiner Partei vertreten. „Das wäre der Todesstoß für den Sozialstaat.“
Vielleicht noch kein Todesstoß, aber doch ein herber Schlag ins Gesicht wäre es für die CSU, wenn die
Linke am 14. Oktober tatsächlich in den bayerischen Landtag gewählt würde. Derzeit sieht es so aus, als gäbe es darauf zumindest eine Chance: Laut aktuellem Bayerntrend des Bayerischen Rundfunks könnte die Partei die Fünf-Prozent-Hürde tatsächlich knacken.
Michael Schlotter bleibt diesbezüglich bescheiden, ihm sei bewusst, dass die Linke „nicht die attraktivste Partei“in seinem Stimmkreis ist. Über seine eigenen Chancen, in den Landtag einzuziehen, will er lieber nicht spekulieren. „Ich bin durchaus Realist, ich will keine Zahlen nennen“, sagt er, und gibt zu verstehen, dass für ihn sein eigenes Abschneiden überhaupt nicht im Vordergrund steht. „Das Wichtigste ist, dass man linke Themen publik macht.“