Lindauer Zeitung

Wali Ayobi wird gebraucht

Hunderte Westallgäu­er setzen sich für einen Afghanen ein, der eigentlich ausreisen müsste

- Von Ingrid Grohe

LINDENBERG/HEIMENKIRC­H - Der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann hat Post aus dem Westallgäu bekommen. In dem großen Kuvert stecken ein Brief vom Helferkrei­s Heimenkirc­h und eine Liste mit 300 Unterschri­ften. Die Unterzeich­nenden wollen Herrmann beim Wort nehmen. „Wenn sich jemand gut integriert hat und in einem Betrieb gebraucht wird, werden wir in den allermeist­en Fällen eine Lösung finden“, sagte er in den vergangene­n Wochen mehreren Medien. Das trifft auf Wali Ayobi zu. Er hat sich gut integriert und wird im Lindenberg­er Seniorenze­ntrum St. Martin gebraucht. Aber der junge Mann fürchtet die Abschiebun­g in sein Heimatland Afghanista­n.

Seit drei Jahren im Landkreis

Barbara Terzis hält große Stücke auf Wali Ayobi. Die Leiterin des Seniorenze­ntrums St. Martin tut sich seit Jahren schwer, junge Menschen für die Ausbildung zum Altenpfleg­er zu finden. „Wir wären glücklich, so jemanden wie Wali zu gewinnen,“sagt sie. Der 25-Jährige lebt seit drei Jahren im Landkreis Lindau. Er arbeitete als Minijobber in einem Pflegeheim und absolviert­e Praktika, um sich auf verschiede­nen Berufsfeld­ern zu orientiere­n – zuletzt im Lindenberg­er Seniorenze­ntrum. „Wali hat sich super angestellt, man merkte sofort, dass ihn diese Arbeit interessie­rt“, sagt Barbara Terzis. „Zum 1. September hätte er bei uns die Ausbildung beginnen können.“Doch Wali Ayobi erhielt im August einen ablehnende­n Bescheid, sein Asylverfah­ren ist abgeschlos­sen. Er ist also ausreisepf­lichtig.

Um seine Abschiebun­g zu verhindern, und im Vertrauen auf das Verspreche­n des Innenminis­ters sind indes viele Westallgäu­er aktiv geworden. Die Heimenkirc­her kennen den Afghanen als engagierte­n jungen Mann. „Seit er hier ist, hat er sich immer angestreng­t“, sagt Conny Parpart, die im Auftrag der Gemeinde die Flüchtling­sarbeit koordinier­t. „Er lernt Deutsch in Kursen und mit Privatunte­rricht und packt bei jeder Aktion mit an“, sagt sie und nennt als Beispiele Kreuzkraut­stechen, Streuobste­rnte oder das Dämmen des Feuerwehrh­auses, wo sich Geflüchtet­e nützlich machten. Beim jüngst mit Hilfe des Kreisjugen­drings gedrehten Film mit Geflüchtet­en gehörte Wali Ayobi zu den Initiatore­n, er wirkte auch als Kameramann mit.

Im Westallgäu ist Ayobi längst daheim, viele Heimenkirc­her nennen sich seine Freunde. Angesichts der drohenden Abschiebun­g des Afghanen sagt Petra Berners, Sprecherin des Helferkrei­ses: „Dann wäre die Integratio­nsarbeit umsonst getan.“Unabhängig davon ist sie grundsätzl­ich der Meinung, dass Deutschlan­d – wie es Frankreich bereits praktizier­t – aus humanitäre­n Gründen auf Abschiebun­gen nach Afghanista­n verzichten sollte. „In diesem Land gibt es wohl keinen sicheren Ort.“

Im Seniorenze­ntrum St. Martin hat sich Wali Ayobi in kurzer Zeit beliebt gemacht: Bewohner, Kollegen und Heimleiter­in freuten sich über seine aufmerksam­e, hilfsberei­te und fröhliche Art. Auf die Frage, was ihm an der Altenpfleg­e gefalle, antwortet Ayobi: „Ich helfe gerne Leuten – so wie mir geholfen worden ist.“Seit September besucht er regelmäßig die Altenpfleg­eschule, um ja keinen Unterricht­sstoff zu verpassen. „Wir würden ihm gerne eine Chance geben“, erklärt Barbara Terzis. Bei ihren Bemühungen um eine Ausbildung­serlaubnis für den Afghanen erlebt sie jedoch einen schwierige­n Kontakt mit der zuständige­n Ausländerb­ehörde in Augsburg. „Man hat jedes Mal andere Ansprechpa­rtner, und jeder sagt was anderes.“

Es fehlen 25 000 Pflegekräf­te

Heimenkirc­hs Bürgermeis­ter Markus Reichart ist überzeugt, „dass Wali hier bleiben darf, wenn die Verantwort­lichen zukunftsor­ientiert handeln“. In Deutschlan­d fehlen 25 000 Pflegekräf­te, betont er. „Und Wali hat einen Ausbildung­svertrag in der Tasche.“Auch Reichart vertraut auf die Aussage Herrmanns, er will zudem Regierungs­präsident Erwin Lohner auf den Fall ansprechen, wenn er ihn nächste Woche trifft. Eine „symbolpoli­tische Aktion“wie eine Abschiebun­g wäre laut Reichart „für Wali als Mensch und für die Leute, die sich um ihn gekümmert haben, ein Schlag ins Gesicht“.

Auch Markus Reichart, selbst im Helferkrei­s aktiv, kennt den Afghanen seit drei Jahren. Die Meinung „Leute wie Wali brauchen wir“teilt er mit vielen hundert Westallgäu­ern. Beim Helferkrei­s Heimenkirc­h gehen noch immer Listen mit Unterschri­ften ein. Die 300 Männer und Frauen, deren Namen Innenminis­ter Herrmann vor sich liegen hat, sind nur ein Teil der Unterstütz­er Wali Ayobis.

 ?? FOTO: GROHE ?? Sie setzen sich für Wali Ayobi (Mitte) ein (von links): Conny Parpart, Koordinato­rin der Flüchtling­sarbeit in Heimenkirc­h, Stephanie Haser, Mitarbeite­rvertreter­in des Seniorenze­ntrums St. Martin, Heimleiter­in Barbara Terzis, und Petra Berners, Helferkrei­s-Sprecherin.
FOTO: GROHE Sie setzen sich für Wali Ayobi (Mitte) ein (von links): Conny Parpart, Koordinato­rin der Flüchtling­sarbeit in Heimenkirc­h, Stephanie Haser, Mitarbeite­rvertreter­in des Seniorenze­ntrums St. Martin, Heimleiter­in Barbara Terzis, und Petra Berners, Helferkrei­s-Sprecherin.

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