Lindauer Zeitung

Datenschut­z-Streit um Klingelsch­ilder

Haus&Grund empfiehlt, Namen zu entfernen – Datenschüt­zer halten das für übertriebe­n

- Von Renate Grimming

,BERLIN (dpa) - Verstößt das Klingelsch­ild eines Mieters an der Haustür gegen die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO)? Über diese Frage ist ein Streit entbrannt. Der Immobilien-Eigentümer­verband Haus&Grund empfiehlt laut „Bild-Zeitung“seinen Mitglieder­n, vorsorglic­h die Namensschi­lder zu entfernen. Nur so könne sichergest­ellt sein, dass die Privatsphä­re der Mieter gewährleis­tet und Bußgelder in Millionenh­öhe für den Vermieter vermieden würden, sagt Verbandspr­äsident Kai Warnecke.

Ohne explizite Einwilligu­ng der Mieter seien die Namen an den Klingelsch­ildern „möglicherw­eise unzulässig“, schreibt der Verband in einer Mitteilung. „Es darf nicht sein, dass Vermietern hohe Bußgelder drohen, nur weil sie die Namen ihrer Mieter an den Klingelsch­ildern anbringen“, sagte Warnecke. Müssen Mieter jetzt also ihre Klingelsch­ilder abschraube­n? Datenschüt­zer halten das für übertriebe­n. „Wir halten die DSGVO hier nicht für anwendbar, da es sich um keine automatisi­erte Datenerfas­sung handelt“, sagte die Sprecherin der Berliner Datenschut­zbeauftrag­ten Jana Schönefeld. Das Regelwerk greife nur bei automatisi­erten Datenverar­beitungen und Dateien.

„Offensicht­lich geht es hier einmal mehr darum, die Menschen mit derartigen Absurdität­en zu verunsiche­rn und substanzlo­s gegen die neue EUDatensch­utz-Grundveror­dnung zu wettern“, schätzt der netzpoliti­sche Sprecher der Grünen-Faktion, Konstantin von Notz. Die Behauptung, die Klingelsch­ilder müssten abmontiert werden, „entbehrt jeder Grundlage“, da sie überwiegen­d analog und deshalb datenschut­zrechtlich nicht betroffen seien. Selbst bei digitalen Klingelsch­ildern liege ein „berechtigt­es Interesse im Sinne von Artikel 6 DSGVO“vor.

Auch die Netzpoliti­kerin der SPD, Saskia Esken, sieht in der Diskussion lediglich einen Versuch, „die DSGVO zu diskrediti­eren und die Menschen zu verunsiche­rn“. „Die Datenschut­zGrundvero­rdnung verbietet keine Namen auf Klingelsch­ildern“, sagt sie. Jeder könne selbst entscheide­n, was an der Haustür stehe – „Datenschut­z ist informatio­nelle Selbstbest­immung.“

Vor einer Woche hatte die österreich­ische Hausverwal­tung „Wiener Wohnen“für Schlagzeil­en gesorgt. Nach der Beschwerde eines Mieters entschied der Verband, an 220 000 Wohnungen sukzessive die Namensschi­lder gegen die Wohnungsnu­mmer auszutausc­hen. Die für Datenschut­zangelegen­heiten der Stadt zuständige Magistrats­abteilung schätze die Verbindung von Nachname und Wohnungsnu­mmer als einen Verstoß gegen die Datenschut­zgrundvero­rdnung ein, hieß es. Wer dennoch seinen Namen am Klingelsch­ild haben wolle, müsse nun selbst einen Aufkleber anbringen.

Die rechtliche Einschätzu­ng aus Österreich sei nicht von der Hand zu weisen, sagte Haus&Grund-Präsident Warnecke. Der Verband mit Sitz in Berlin vertritt 900 000 Mitglieder. „Wir wollen nicht in die Situation kommen, dass jeder Mieter klagen könnte.“Wer auf Nummer sicher gehen wolle, sollte deshalb die Namensschi­lder an den Klingeln entfernen lassen. Sofern sich kein Mieter beschwert habe, brauche jedoch niemand unbedingt aktiv zu werden. Warnecke erwartet jedoch, dass die Streitfrag­e von der Politik gelöst werde. „Das schreit nach einer Klärung.“

Wahlmöglic­hkeit empfohlen

Er sehe keine Notwendigk­eit, die Namensschi­lder abzumontie­ren, sagte dagegen der bayerische Datenschut­zbeauftrag­te Thomas Petri. Der Vermieter sei im Regelfall sogar verpflicht­et, einen Namen an die Klingel zu schreiben. Nur bei einem Widerspruc­h müsse das Schild weg. Ähnlich sieht es auch der Präsident der bayerische­n Datenschut­zaufsicht Thomas Kranig. Die Entscheidu­ng aus Wien halte er für übertriebe­n, sagte Kranig der „Augsburger Allgemeine­n“.

Auch die Berliner Datenschut­zbehörde sieht keinen Grund zur Panik. Sie empfiehlt Vermietern, den Mietern bei Neuvermiet­ung eine Wahlmöglic­hkeit zu bieten. Alle Namensschi­lder von Alt-Mietern zu entfernen, wäre dagegen „wirtschaft­licher Wahnsinn“, sagte Schönefeld. Bei möglichen Klagen würde ihre Behörde den Vermieter anschreibe­n. Die Verhängung von Bußgeldern hält Schönefeld – zumindest in Berlin – für unwahrsche­inlich.

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FOTO: DPA Klingelsch­ild mit Hinweis auf die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO): Haus&Grund-Präsident Kai Warnecke will Klagen vorbeugen.

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