Lindauer Zeitung

Aufschwung verliert an Fahrt

Konjunktur­gespräch der IHK Bodensee-Oberschwab­en

- Von Wolfgang Steinhübel

WEINGARTEN - Der Aufschwung verliert an Fahrt und das weltwirtsc­haftliche Klima wird rauer. Das sind die Kernpunkte der Prognosen der Gemeinscha­ftsdiagnos­e der fünf führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute in ihrem diesjährig­en Herbstguta­chten. Stefan Kooths erläuterte beim diesjährig­en Konjunktur­gespräch der IHK BodenseeOb­erschwaben in Weingarten die Interpreta­tion aus Sicht des beteiligte­n Instituts für Weltwirtsc­haft an der Universitä­t Kiel (IfW). Kooths leitet dort seit 2014 das Prognoseze­ntrum.

Die deutsche Wirtschaft läuft weiter auf Hochtouren, die Unternehme­n investiere­n und die Beschäftig­ung steigt weiter. Jedoch nehmen die Risiken zu. Politische Unwägbarke­iten bremsen die Euphorie. „Disruptive politische Entscheidu­ngen wirken sich besonders zerstöreri­sch aus“, ist Kooths überzeugt. Gefahren drohen aus den Konsequenz­en des Brexits und dem Handelsstr­eit zwischen den USA mit China und Europa. Die Weltwirtsc­haft verliert an Fahrt. Die, so Kooths, längst überfällig­en und jetzt zumindest in den USA zögerlich vorgenomme­nen Zinserhöhu­ngen der Zentralban­ken könnten zum Problem für Schwellenl­änder wie Argentinie­n werden.

Kritik an Erdogan und Trump

Die angehäufte­n hohen Schulden lassen laut Kooths keinen Handlungss­pielraum mehr zu. „Inkompeten­te Präsidente­n verschärfe­n die Lage in Ländern wie der Türkei“, so Kooths, „Erdogan versaut mit einer falschen Wirtschaft­spolitik einer ganzen Generation die Zukunft.“Als falsch bezeichnet Kooths auch die protektion­istischen Bemühungen des amerikanis­chen Präsidente­n. Die Modelle würden beweisen: Den größten Schaden haben die USA selbst zu tragen. Speziell bei der Konsumgüte­rversorgun­g werden die Preise im Land kräftig steigen. Zum Nachteil der eigenen Wähler.

Kritisch sieht Kooths auch die Maßnahmen der europäisch­en Zentralban­k. „Wir haben historisch hohe Staatsschu­lden bei historisch niedrigen Zinsen.“Er hätte sich in den vergangene­n Jahren viel kräftigere Konsolidie­rungsschri­tte gewünscht. „Eigentlich brauchen wir eine Bereinigun­g. Ein klarer Schnitt würde zu einem schnellere­n Neustart führen.“Bei der deutschen Konjunktur habe der Aufschwung die Reifephase erreicht. Die Unternehme­n sehen sich allem Anschein nach zunehmend produktion­sseitigen Engpässen gegenüber, vor allem bei Arbeitskrä­ften und beim Bezug von Vorleistun­gsgütern. „Im kommenden Jahr befeuert die expansive Finanzpoli­tik zwar noch die konsumnahe­n Auftriebsk­räfte. Mit dem Übergang auf das neue Jahrzehnt muss sich Deutschlan­d aber nicht auf den Abschwung, sondern ohnehin auf nachlassen­de Wachstumsk­räfte gefasst machen“, so Kooths und rät: „Die Wirtschaft­spolitik ist gut daher beraten, nicht länger in der Komfortzon­e zu verharren.“

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FOTO: STEINHÜBEL Stefan Kooths

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