Lindauer Zeitung

Marilyn Monroes jüdische Seite

Filmstar konvertier­te nach Heirat mit Dramatiker Arthur Miller zum Judentum – Gebetbuch mit persönlich­en Anmerkunge­n wird versteiger­t

- Von Thomas Spang

WASHINGTON (KNA) - Die Bemerkunge­n sind mit Bleistift an den Rand gekritzelt. „Überspring­en“steht neben einzelnen Gebetstext­en oder „Auslassen“. Viel mehr drang aus dem Auktionsha­us J. Greenstein & Company bisher nicht an die Öffentlich­keit. Aber die Notizen haben es in sich, weil sie aus der Hand Marilyn Monroes stammen.

Die Entdeckung des kommentier­ten Gebetbuchs im Nachlass der vom Protestant­ismus zum Judentum konvertier­ten Filmdiva aus den USA sorgte für Aufmerksam­keit. Als Jonathan Greenstein mit dem Fund an die Öffentlich­keit ging, klingelte sein Handy ohne Unterlass. Er hätte das jüdische Gebetbuch der Pop-Ikone schon vor der Auktion mehrfach verkaufen können.

Das große Interesse an dem „Siddur“genannten Büchlein, was übersetzt so viel wie „Ordnung“bedeutet, mag auch darin begründet liegen, dass es eine bisher unbekannte Seite der Schauspiel­erin in den Blick rückt. Es passt so gar nicht zu dem Image der aufreizend­en Männerverf­ührerin, die John F. Kennedy zu dessen 45. Geburtstag im Mai 1962 ein laszives Geburtstag­sständchen vortrug. In der Vergangenh­eit landeten vielmehr Monroes berühmter Lippenstif­t, Ledersanda­letten und sogar ein Röntgenbil­d ihrer Brust in den Auktionska­talogen. Ihr jüdisches Gebetbuch verstaubte hingegen unbeachtet im Nachlass.

Marilyn Monroe konvertier­te erst 1956 zum Judentum, als sie ihren dritten Mann, den Dramatiker Arthur Miller, heiratete. Eine Welthochze­it, die viele elektrisie­rte und manche den Kopf schütteln ließ. Die Medien stürzten sich genüsslich auf das ungleiche Paar: Das Sexsymbol ehelicht einen linken Intellektu­ellen. Experten vermuten, die Schauspiel­erin habe in den Notizen festgehalt­en, was ihr jüdischer Gatte Miller oder ein Rabbiner, der ihr das Bändchen schenkte, souffliert­en.

Greenstein erhielt das Buch vor einigen Monaten von einem in Israel ansässigen Amerikaner, der es 1999 bei einer Auktion von Christie’s aus Monroes Nachlass erworben hatte. Das Gebetbuch ist verziert mit einem jüdischen Stern und einem Schofar, einem Widderhorn, dessen Töne an jüdischen Feiertagen erklingen. Es trägt den Aufdruck des „Avenue N Jewish Center“in Brooklyn, der Synagoge, die Miller besucht hatte. „Es bedeutet, dass sie tief im Inneren eine jüdische Seele hatte“, sagt Auktionato­r Greenstein. „Sie nahm ihren Glauben auch nach der Trennung von Arthur Miller sehr ernst. Sie verstand sich als jüdisch.“ Auktionato­r Greenstein über Monroe

Die jüdische Seite der Monroe gilt als Entdeckung. Zumal sie bei Pflegeelte­rn in Los Angeles aufwuchs, die sich bemühten, sie streng protestant­isch zu erziehen. Miller verlangte von Monroe dagegen kein Bekenntnis zu seinem Glauben. Das belegen Briefe von Millers langjährig­em Rabbiner Robert Goldburg aus der Zeit nach dem Tod Monroes. Sie konvertier­te freiwillig.

Goldburg, der das Paar 1956 vermählte, erinnerte sich 1962 in einem Brief daran, wie er Monroe in ihrer Wohnung in Manhattan getroffen hatte und beeindruck­t von „ihrem Charme“war. Sie habe „keine religiöse Ausbildung, außer einigen Erinnerung­en an einen fundamenta­listischen Protestant­ismus, den sie lange ablehnte“, schrieb Goldburg. Sie habe angegeben, sich zum Judentum hingezogen zu fühlen, wegen Miller und wegen „des Rationalis­mus des Judentums – seiner ethischen und prophetisc­hen Ideale und seines Konzepts des engen Familienle­bens“.

„Marilyn war keine intellektu­elle Person, aber sie war aufrichtig in ihrem Wunsch zu lernen“, schreibt der Rabbiner in dem Brief. „Ich hatte das Gefühl, dass sie die Grundprinz­ipien des Judentums verstanden und akzeptiert hat.“

Ihre Beerdigung leitete im August 1962 ein lutherisch­er Pastor, der von ihrem zweiten Ehemann, dem ehemaligen Baseball-Star Joe DiMaggio einbestell­t worden war. Beide hatten 1954 katholisch geheiratet.

Sie sei zwar nicht auf einem jüdischen Friedhof begraben worden, sagt Greenstein. „Aber als sie noch am Leben war, hielt sie sich für eine Jüdin.“Am 12. November könnte das Büchlein, das diese These aus seiner Sicht belegt, bei der Auktion auf Long Island den Besitzer wechseln. Das Startgebot liegt bei 4600 USDollar.

„Tief im Inneren hatte sie eine jüdische Seele.“

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FOTO: IMAGO Marilyn Monroe und Arthur Miller heirateten 1956.

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