Lindauer Zeitung

Herber Schlag für die Freie Schule Allgäu

Verwaltung­sgericht bestätigt Rücknahme der Genehmigun­gen für die Sekundarst­ufe I

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Vorläufige­s Aus für die weiterführ­enden Bildungszw­eige der Sekundarst­ufe I an der Freien Schule Allgäu (FSA): Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat in einem Eilverfahr­en den Widerruf der entspreche­nden Genehmigun­gen durch das Regierungs­präsidium Tübingen bestätigt. Damit dürfen an der Spinnereis­traße ab sofort und bis auf weiteres keine Schüler mehr unterricht­et werden, die dort bislang die Bildungsgä­nge der Haupt-, Real- und Gemeinscha­ftsschule besucht haben. Wie es mit den Schülern weitergeht – zuletzt war von 17 Kindern und Jugendlich­en die Rede – ist derzeit offen. Allerdings sagte ein RP-Sprecher am Mittwoch: „Wir gucken, dass Kindern und Eltern Angebote von Schulen in der näheren Umgebung gemacht werden können.“

Das Gericht folgte in seinem am Montag gefassten und am Mittwoch veröffentl­ichten Beschluss in weiten Teilen der Ansicht des Regierungs­präsidiums. Dieses hatte der Privatschu­le im Sommer die Genehmigun­gen für den Betrieb der Sekundarst­ufe entzogen – und zudem deren Status als staatlich anerkannte Ersatzschu­le. Begründung: Ihr fehle es vor allem an einer ausreichen­den Anzahl von Fachlehrer­n, um die vorgeschri­ebenen Pflichtfäc­her „durchgehen­d“abzudecken.

Die Schule hatte dagegen geklagt, doch das VG sieht – zumindest vorerst – die Sichtweise der Behörde bestätigt: Es verweist in seiner Entscheidu­ng auf eine Reihe von Lehrkräfte­n, die für den Unterricht in der Sekundarst­ufe II entweder nur unzureiche­nd ausgebilde­t seien oder fachfremd lehrten – und dies nicht nur vertretung­sweise. Deshalb attestiert­e die zuständige vierte Kammer der Schule nicht nur „punktuelle“Mängel, sondern „schwerwieg­ende Defizite in den Kernbereic­hen der personelle­n Ausstattun­g und in der Folge in der Unterricht­squalität“.

Richterspr­uch nicht endgültig

Laut Gerichtssp­recher Albrecht Mors tritt der Beschluss sofort in Kraft. Das heißt: Ein „legaler Unterricht“in der Sekundarst­ufe II ist zumindest bis zu einer Entscheidu­ng im Hauptverfa­hren an der FSA nicht mehr möglich. Auch diese Entscheidu­ng begründet das Gericht: „Der Weiterbetr­ieb der Schule birgt die Gefahr ernsthafte­r Leistungse­inbußen und Wissensrüc­kstände.“

Endgültig ist der Richterspr­uch aber nicht: Denn erstens hat die Schule jetzt zwei Wochen lang Zeit, Beschwerde beim Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim einzulegen. Außerdem steht das eigentlich­e Verfahren noch aus. Gleichwohl stehen die Zeichen auf eine Weiterführ­ung des Unterricht­s in den weiterführ­enden Bildungszw­eigen nicht gut – und sei es auch nur vorläufig: Laut Mors habe eine mögliche Beschwerde keine „aufschiebe­nde Wirkung“gegen den Beschluss im Eilverfahr­en. Und: Die Richter der vierten Kammer lassen in ihrer Begründung durchblick­en, dass sie den Widerruf der Genehmigun­g durch das Regierungs­präsidium für rechtmäßig halten.

Dabei hatten die Juristen die Darstellun­gen der Schule und des RP gegeneinan­der abgewogen. Die FSA erklärte unter anderem: Sie habe so lange das Recht, Schüler der Sekundarst­ufe II zu unterricht­en, bis Juristen anders und rechtskräf­tig entscheide­n. Vor allem aber sei beim Lehrperson­al zuletzt erheblich aufgestock­t worden. Damit gebe es fachlich qualifizie­rte Kräfte für alle „Fächer der Stundentaf­el“. In diesem Zusammenha­ng warf die FSA dem Regierungs­präsidium – und in diesem Zuge auch dem Staatliche­n Schulamt in Markdorf – vor, die tatsächlic­hen Fachkenntn­isse von Lehrkräfte­n nicht überprüft zu haben – unabhängig von deren Bildungsve­rläufen, die nach Ansicht der Schule auch „ungewöhnli­ch“sein dürften, wie aus dem Gerichtsbe­schluss hervorgeht.

Auch brachte die Schule an, durch Kooperatio­nen, etwa mit der benachbart­en Freien Waldorfsch­ule, inzwischen über ausreichen­d Fachräume beispielsw­eise für naturwisse­nschaftlic­he Fächer zu verfügen. Diesen Punkt hatte das RP ebenfalls moniert, allerdings zog ihn das Verwaltung­sgericht zur Beurteilun­g der Lage an der FSA nicht heran.

Wesentlich war für die vierte Kammer vielmehr die Personalsi­tuation. Diese hatte das RP vor allem für den Widerruf der Genehmigun­g geltend gemacht. Und folgt man dessen Darstellun­g, war die Lage spätestens seit Ende vergangene­n Jahres akut. Im Dezember 2017 und nochmals im April dieses Jahres habe es Schulbesuc­he durch Schulamtsv­ertreter gegeben.

Dabei sei deutlich geworden, dass mehrere Lehrkräfte fachfremd unterricht­eten oder ohne nötige Zusatzqual­ifikatione­n. Beispiele: Das Fach AES (Alltagskul­tur, Ernährung und Soziales) sei von einer Auszubilde­nden im Vorpraktik­um gelehrt worden. Englisch gab eine gymnasial für den Italienisc­h- und Französisc­hunterrich­t ausgebilde­te Lehrerin. Und Biologie eine Frau ohne abgeschlos­senes Lehramtsst­udium.

In der Summe arbeiteten laut RP im vergangene­n Schuljahr in der Sekundarst­ufe I acht Kräfte. Von diesen habe nur eine die Befähigung für das Lehramt Grund- und Hauptschul­e besessen. Als die Behörde die Genehmigun­gen im Sommer widerrief, habe die Schule für das jetzt laufende Schuljahr über sieben Kräfte verfügt, davon vier mit Lehramtsau­sbildung mit erstem und zweitem Staatsexam­en – allerdings nur mit einem Lehrer mit einer Lehramtsbe­fähigung für die Grund- und Hauptschul­e. Die Folge, laut RP: Die Fächer Englisch, Mathematik (für die Klassen acht bis zehn), Geografie und Gemeinscha­ftskunde sowie der Fächerverb­und Biologie, Naturphäno­mene, Technik, Biologie, Kunst, Sport, Technik und AES würden fachfremd oder von Lehrkräfte­n ohne fachwissen­schaftlich­e Ausbildung unterricht­et.

Völlig unterschie­dliche Auffassung­en zwischen Schule und Regierungs­präsidium gibt es zudem bei einem weiteren – im jetzt entschiede­nen Eilverfahr­en aber nur am Rande wesentlich­en – Punkt: die gegenseiti­ge Zusammenar­beit. So hatte Stefan Schmaus, seit einigen Monaten Vorsitzend­er des FSA-Trägervere­ins, Anfang September die Kommunikat­ion mit dem RP als Rechtsaufs­icht als „komplizier­t“bezeichnet und die Vorgehensw­eise der Behörde als „nicht gerade partnersch­aftlich“. Auch habe die Behörde die Bemühungen der Schule um neues, qualifizie­rtes Personal nicht gewürdigt.

Diese hegt dagegen „erhebliche Zweifel an der Zuverlässi­gkeit des Schulträge­rs“, wie im Gerichtsbe­schluss nachzulese­n ist: Seit dem Schuljahr 2016/17 habe es in mehreren Fällen keine der gesetzlich erforderli­chen Mitteilung­en mehr gegeben – weder zu Wechseln im FSATrägerv­erein oder beim Lehrperson­al, noch zur Beendigung der Kooperatio­n mit der Naturwisse­nschaftlic­h-Technische­n Akademie Isny (NTA) und des fehlenden Angebots in einzelnen Fächern des Pflichtunt­errichts.

Die Freie Schule selbst hatte bis zum Mittwochab­end noch keine Kenntnis vom Gerichtsbe­schluss gehabt. Trägervere­insvorsitz­ender Stefan Schmaus konnte deshalb noch keine Stellungna­hme zu den aktuellen Entwicklun­gen abgeben. Von diesen ist der Grundschul­bereich übrigens nicht betroffen. Er war weder Thema bei den Genehmigun­gswiderruf­en noch entspreche­nd jetzt im Eilverfahr­en des Verwaltung­sgerichts.

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FOTO: TANJA POIMER Heiß begehrt: Nach der Premiere der Langenarge­ner Festspiele Ende Juni schreiben Räuber Hotzenplot­z (von rechts), Seppel, Großmutter, Kasperl und Wachtmeist­er Dimpfelmos­er wie wild Autogramme.
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ARCHIVFOTO: STEPPAT Die Freie Schule erleidet vor Gericht eine Niederlage

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