Herber Schlag für die Freie Schule Allgäu
Verwaltungsgericht bestätigt Rücknahme der Genehmigungen für die Sekundarstufe I
WANGEN - Vorläufiges Aus für die weiterführenden Bildungszweige der Sekundarstufe I an der Freien Schule Allgäu (FSA): Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat in einem Eilverfahren den Widerruf der entsprechenden Genehmigungen durch das Regierungspräsidium Tübingen bestätigt. Damit dürfen an der Spinnereistraße ab sofort und bis auf weiteres keine Schüler mehr unterrichtet werden, die dort bislang die Bildungsgänge der Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschule besucht haben. Wie es mit den Schülern weitergeht – zuletzt war von 17 Kindern und Jugendlichen die Rede – ist derzeit offen. Allerdings sagte ein RP-Sprecher am Mittwoch: „Wir gucken, dass Kindern und Eltern Angebote von Schulen in der näheren Umgebung gemacht werden können.“
Das Gericht folgte in seinem am Montag gefassten und am Mittwoch veröffentlichten Beschluss in weiten Teilen der Ansicht des Regierungspräsidiums. Dieses hatte der Privatschule im Sommer die Genehmigungen für den Betrieb der Sekundarstufe entzogen – und zudem deren Status als staatlich anerkannte Ersatzschule. Begründung: Ihr fehle es vor allem an einer ausreichenden Anzahl von Fachlehrern, um die vorgeschriebenen Pflichtfächer „durchgehend“abzudecken.
Die Schule hatte dagegen geklagt, doch das VG sieht – zumindest vorerst – die Sichtweise der Behörde bestätigt: Es verweist in seiner Entscheidung auf eine Reihe von Lehrkräften, die für den Unterricht in der Sekundarstufe II entweder nur unzureichend ausgebildet seien oder fachfremd lehrten – und dies nicht nur vertretungsweise. Deshalb attestierte die zuständige vierte Kammer der Schule nicht nur „punktuelle“Mängel, sondern „schwerwiegende Defizite in den Kernbereichen der personellen Ausstattung und in der Folge in der Unterrichtsqualität“.
Richterspruch nicht endgültig
Laut Gerichtssprecher Albrecht Mors tritt der Beschluss sofort in Kraft. Das heißt: Ein „legaler Unterricht“in der Sekundarstufe II ist zumindest bis zu einer Entscheidung im Hauptverfahren an der FSA nicht mehr möglich. Auch diese Entscheidung begründet das Gericht: „Der Weiterbetrieb der Schule birgt die Gefahr ernsthafter Leistungseinbußen und Wissensrückstände.“
Endgültig ist der Richterspruch aber nicht: Denn erstens hat die Schule jetzt zwei Wochen lang Zeit, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim einzulegen. Außerdem steht das eigentliche Verfahren noch aus. Gleichwohl stehen die Zeichen auf eine Weiterführung des Unterrichts in den weiterführenden Bildungszweigen nicht gut – und sei es auch nur vorläufig: Laut Mors habe eine mögliche Beschwerde keine „aufschiebende Wirkung“gegen den Beschluss im Eilverfahren. Und: Die Richter der vierten Kammer lassen in ihrer Begründung durchblicken, dass sie den Widerruf der Genehmigung durch das Regierungspräsidium für rechtmäßig halten.
Dabei hatten die Juristen die Darstellungen der Schule und des RP gegeneinander abgewogen. Die FSA erklärte unter anderem: Sie habe so lange das Recht, Schüler der Sekundarstufe II zu unterrichten, bis Juristen anders und rechtskräftig entscheiden. Vor allem aber sei beim Lehrpersonal zuletzt erheblich aufgestockt worden. Damit gebe es fachlich qualifizierte Kräfte für alle „Fächer der Stundentafel“. In diesem Zusammenhang warf die FSA dem Regierungspräsidium – und in diesem Zuge auch dem Staatlichen Schulamt in Markdorf – vor, die tatsächlichen Fachkenntnisse von Lehrkräften nicht überprüft zu haben – unabhängig von deren Bildungsverläufen, die nach Ansicht der Schule auch „ungewöhnlich“sein dürften, wie aus dem Gerichtsbeschluss hervorgeht.
Auch brachte die Schule an, durch Kooperationen, etwa mit der benachbarten Freien Waldorfschule, inzwischen über ausreichend Fachräume beispielsweise für naturwissenschaftliche Fächer zu verfügen. Diesen Punkt hatte das RP ebenfalls moniert, allerdings zog ihn das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der Lage an der FSA nicht heran.
Wesentlich war für die vierte Kammer vielmehr die Personalsituation. Diese hatte das RP vor allem für den Widerruf der Genehmigung geltend gemacht. Und folgt man dessen Darstellung, war die Lage spätestens seit Ende vergangenen Jahres akut. Im Dezember 2017 und nochmals im April dieses Jahres habe es Schulbesuche durch Schulamtsvertreter gegeben.
Dabei sei deutlich geworden, dass mehrere Lehrkräfte fachfremd unterrichteten oder ohne nötige Zusatzqualifikationen. Beispiele: Das Fach AES (Alltagskultur, Ernährung und Soziales) sei von einer Auszubildenden im Vorpraktikum gelehrt worden. Englisch gab eine gymnasial für den Italienisch- und Französischunterricht ausgebildete Lehrerin. Und Biologie eine Frau ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium.
In der Summe arbeiteten laut RP im vergangenen Schuljahr in der Sekundarstufe I acht Kräfte. Von diesen habe nur eine die Befähigung für das Lehramt Grund- und Hauptschule besessen. Als die Behörde die Genehmigungen im Sommer widerrief, habe die Schule für das jetzt laufende Schuljahr über sieben Kräfte verfügt, davon vier mit Lehramtsausbildung mit erstem und zweitem Staatsexamen – allerdings nur mit einem Lehrer mit einer Lehramtsbefähigung für die Grund- und Hauptschule. Die Folge, laut RP: Die Fächer Englisch, Mathematik (für die Klassen acht bis zehn), Geografie und Gemeinschaftskunde sowie der Fächerverbund Biologie, Naturphänomene, Technik, Biologie, Kunst, Sport, Technik und AES würden fachfremd oder von Lehrkräften ohne fachwissenschaftliche Ausbildung unterrichtet.
Völlig unterschiedliche Auffassungen zwischen Schule und Regierungspräsidium gibt es zudem bei einem weiteren – im jetzt entschiedenen Eilverfahren aber nur am Rande wesentlichen – Punkt: die gegenseitige Zusammenarbeit. So hatte Stefan Schmaus, seit einigen Monaten Vorsitzender des FSA-Trägervereins, Anfang September die Kommunikation mit dem RP als Rechtsaufsicht als „kompliziert“bezeichnet und die Vorgehensweise der Behörde als „nicht gerade partnerschaftlich“. Auch habe die Behörde die Bemühungen der Schule um neues, qualifiziertes Personal nicht gewürdigt.
Diese hegt dagegen „erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit des Schulträgers“, wie im Gerichtsbeschluss nachzulesen ist: Seit dem Schuljahr 2016/17 habe es in mehreren Fällen keine der gesetzlich erforderlichen Mitteilungen mehr gegeben – weder zu Wechseln im FSATrägerverein oder beim Lehrpersonal, noch zur Beendigung der Kooperation mit der Naturwissenschaftlich-Technischen Akademie Isny (NTA) und des fehlenden Angebots in einzelnen Fächern des Pflichtunterrichts.
Die Freie Schule selbst hatte bis zum Mittwochabend noch keine Kenntnis vom Gerichtsbeschluss gehabt. Trägervereinsvorsitzender Stefan Schmaus konnte deshalb noch keine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen abgeben. Von diesen ist der Grundschulbereich übrigens nicht betroffen. Er war weder Thema bei den Genehmigungswiderrufen noch entsprechend jetzt im Eilverfahren des Verwaltungsgerichts.