Wenn es mit Nachwuchs nicht klappen will
Kinderwunschzentrum am Kemptener Klinikum hilft seit zehn Jahren erfolgreich Eltern
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Zehn Jahre ist es her, dass das Kinderwunschzentrum am Klinikum Kempten-Oberallgäu gegründet wurde. Gestern wurde der runde Geburtstag groß gefeiert. Chefarzt Ricardo Felberbaum wird unter Deutschlands besten Reproduktionsmedizinern genannt. Trotzdem ist es oft ein Tabuthema, wenn Paare auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Zumindest sagt das ein Paar aus dem Oberallgäu, das in Kempten erfolgreich behandelt wurde: Der gemeinsame Sohn ist ein halbes Jahr alt.
„Wenn man als Paar kein Kind kriegt, ist das erst mal nicht normal“, sagt der Vater. Beziehung, Heirat, Kinder. „Das ist der übliche Weg, wie ihn jeder im Kopf hat.“Er und seine Frau sind Mitte 30. Eine Familie zu gründen, am besten mit zwei Kindern, das war der Plan nach der Hochzeit.
Spermien schwimmen im Kreis
Ein Dreiviertel-Jahr lang haben sie es „versucht“– ohne Erfolg. „Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, will ich das auch durchziehen“, sagt die junge Frau. Deshalb habe sie sich schließlich untersuchen lassen. Während sie erzählt, sitzt ihr Mann neben ihr am Tisch und schaukelt den kleinen Sohn auf den Knien. Der lächelt und scheint großen Spaß zu haben. Nachdem die Frauenärztin nichts feststellen konnte, führte der Weg ins Kinderwunschzentrum. Einige zeitintensive Voruntersuchungen später stand fest, „dass bei mir alles in Ordnung ist“. Bei der Untersuchung ihres Mannes zeigte sich jedoch, dass dessen Spermien nur im Kreis schwimmen, anstatt vorwärts zur Eizelle hin.
„Der erste Schritt war dann eine Insemination“, erzählt die Mutter weiter. Dabei wurde ihr Eisprung ausgelöst und Spermien vor die Eizelle gesetzt. Nach drei erfolglosen Versuchen rieten ihr die Ärzte zu einer In-vitro-Fertilisation (IVF), einer Befruchtung im Reagenzglas – künstliche Befruchtung genannt. Hier bezahlt die Krankenkasse in der Regel drei Versuche zur Hälfte. „Manche zahlen nichts, bevor man nicht verheiratet ist.“
Die Oberallgäuerin unterzog sich einer Behandlung mit Hormonspritzen, die dazu führte, dass sie nicht nur ein Ei produzierte, sondern 17. Neun davon konnten erfolgreich befruchtet werden. Der erste Versuch, bei dem zwei Eizellen in die Gebärmutter eingesetzt wurden, ging schief. Aber beim zweiten Mal klappte es, eine der Eizellen nistete sich ein und entwickelte sich innerhalb von neun Monaten zu einem kleinen Jungen. Seine Mutter erzählt all das ganz offen. Dabei wirkt sie sehr pragmatisch. Es gab ein Problem, also packte sie es an und suchte eine Lösung. Sie betont aber: „Ich habe auch mal geweint.“Und natürlich gingen ihr viele Fragen durch den Kopf. „Was ist, wenn es jetzt wieder nicht klappt, werden wir dann kinderlos bleiben?“Ihr Mann strahlt nach dieser turbulenten Zeit Ruhe aus. Schuldig gefühlt, weil seine Spermien nur „ortsbeweglich“sind, hat er sich nicht. „Es ist keine Krankheit, man kann es nicht beeinflussen.“Über Schuld nachzudenken, hätte beide auch nicht weitergebracht, sagt er.
„Offen darüber reden“, rät seine Frau Paaren, die in einer ähnlichen Situation stecken. Dadurch habe sie auch viel besser mit den Nachfragen von Verwandten und Freunden umgehen können. Statt eine Ausrede zu suchen, sagte sie, wie es ist. „Die Leute sind dann viel einfühlsamer und lockerer“, erzählt sie. Ihr zweiter Rat: Sich nicht jahrelang herumquälen, sondern frühzeitig zum Arzt gehen, wenn es nicht klappt.
Dr. Anke Brössner, leitende Oberärztin im Kinderwunschzentrum, bestätigt das. Bis zu einem Alter von 35 Jahren sollte man nach einem Jahr erfolglosen „Versuchens“vorbeischauen, ab 35 Jahren nach einem halben Jahr. Nach den guten Erfahrungen, die die Oberallgäuer Familie gemacht hat, steht inzwischen fest: Jetzt soll ein Geschwisterchen für ihren Buben folgen.