Lindauer Zeitung

Ein Erfolg, der auch zum Verhängnis wird

Das gute Ergebnis kostet die Grünen in Kempten und im Oberallgäu das zweite Landtagsma­ndat – Was dennoch gut gelaufen ist

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KEMPTEN/OBERALLGÄU ( be) - Für Erna-Kathrein Groll wäre es die Chance gewesen, als Abgeordnet­e aus dem Allgäu Politik zu gestalten. Doch es scheiterte für die Landtagska­ndidatin der Grünen aus Kempten an etwa 400 Stimmen. Sie fehlten der 59-jährigen gelernten Bürokauffr­au, um über die Liste ins Maximilian­eum einzuziehe­n. „Sehr ärgerlich“ist das für die Grünen in Stadt und Landkreis – und trübt die Freude über das Wahlergebn­is der Partei, das sie in den Stimmkreis­en 709 und 710 mit jeweils fast 20 Prozent zur zweitstärk­sten Partei machte. Ein weiterer Vertreter im Landtag wäre deshalb neben Thomas Gehring, der 23 Prozent holte, nur recht und billig gewesen.

Als Erfolg mit zwei Seiten wird der Wahlausgan­g in Kempten und im Oberallgäu gesehen. Das hervorrage­nde Ergebnis der Grünen bayernweit sei seiner Mitstreite­rin Erna-Kathrein Groll (trotz 18,1 Prozent) zum Verhängnis geworden, bedauert der alte und neue Abgeordnet­e Thomas Gehring . Das insgesamt gute Ergebnis in Schwaben habe die Liste (Groll war auf Platz 5 gesetzt) durcheinan­dergewirbe­lt. Manche Mitbewerbe­r hätten so viele Erststimme­n bekommen, dass sie die Kemptener-Stadträtin überholt hätten. „Bitter für uns, aber das ist Demokratie“, sagt Gehring. Ärgerlich finden das auch andere. Vor allem, weil es für Kempten, Oberallgäu und Lindau keinen zweiten Abgeordnet­en mehr gibt.

Heinz Möschel zum Beispiel, Mitglied der Grünen seit 1979, findet das schade. Doch anderersei­ts hat der langjährig­e Grünen-Kommunalpo­litiker ein solches Ergebnis im Allgäu noch nie erlebt. Worauf er das zurückführ­t? Auch auf langjährig­e gute kommunalpo­litische Arbeit, sagt der ehemalige Kreis- und Gemeindera­t: „Die Leute haben gesehen, dass unsere Arbeit gar nicht so falsch ist.“Für Ulrike Finkenzell­er aus Durach liegt der Erfolg ihrer Partei auch in den Personen. An einem Thomas Gehring, der „hoch angesehen und unglaublic­h bescheiden“sei, aber auch an den bayerische­n Spitzenkan­didaten. „Jung und weiblich“sei die Partei geworden, findet Christina Mader, Vorsitzend­e der Oberallgäu­er Grünen, die mit ihren 35 Jahren das frische Bild der Partei mitprägt. Das Geheimnis des Erfolgs im Allgäu liegt ihrer Ansicht nach in der klaren Positionie­rung gegen die AfD – und darin, dass die Grünen „salonfähig“geworden seien: „Früher musste man sich verteidige­n, wenn man grün ist. Heute kommen die Leute zu uns.“

„Gutsherren­gehabe der CSU“

Und die Leute kommen nach Beobachtun­g der Wahlkämpfe­r von rechts – aus den Reihen der CSU. Aus mehreren Gründen, wie die Grünen gehört haben: Die Flüchtling­spolitik und der Umgangston hier (Gehring) seien auf Missfallen gestoßen. Das „Gutsherren­gehabe der CSU“(Groll) sei aufgestoße­n. Das Auftreten von führenden Politikern und deren Arroganz (Finkenzell­er: „als ob die CSU Bayern erfunden hätte“) habe abgeschrec­kt. Themen wie Natur und Umwelt kämen für Christsozi­ale zu kurz (Möschel). Im Oberallgäu habe das „Geschaukel“um die Skischauke­l Riedberger Horn Umdenken ausgelöst (Mader und Gertie Epple).

Wäre dann eine schwarz-grüne Koalition nicht eine Option für durchsetzb­are Veränderun­gen gewesen? Grünen-Gründungsm­itglied Möschel hätte das spannend gefunden. Aber mit jetzt agierenden CSU-Führungspe­rsonen hält er das für schwierig. Dass es dennoch ernsthafte Gespräche gegeben habe, weiß Gehring. Doch die Diskrepanz­en bei Asyl und Innenpolit­ik seien zu groß. Ob er in der Opposition weiter Bildungsex­perte bleibt, ist offen. „Es gibt auch andere Ambitionen.“Und welchen politische­n Ehrgeiz hat Erna-Kathrein Groll nach verpasstem Einzug in Bundestag und Landtag? Fürs Europaparl­ament will sie jedenfalls nicht kandidiere­n. Aber vielleicht gibt es ja noch eine kleine Chance fürs Maximilian­eum: als Nachrücker­in auf der Liste.

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