Lindauer Zeitung

Härtetest für Mensch und Maschine

14 Piloten der Bundespoli­zei trainieren zum Abschluss ihrer Ausbildung im Allgäuer Hochgebirg­e

- Von Benedikt Siegert

FÜSSEN/OBERSTDORF - Es ist der absolute Ernstfall, den 14 frisch ausgebilde­te Piloten der Bundespoli­zei derzeit im Allgäu proben. Das Szenario ist simpel, aber realistisc­h: Von einem Touristen in Oberstdorf fehlt seit 48 Stunden jede Spur. Er ist von einer Bergtour am Allgäuer Hauptkamm nicht mehr in seine Pension zurückgeke­hrt. Es ist ungewiss, ob er verletzt, abgestürzt oder gar tot ist. Eine Situation also, wie sie häufig im Allgäu vorkommt – und die die Rettungskr­äfte immer wieder vor Probleme stellt.

„Was wir üben, ist der Worst-Case – das Unangenehm­ste, was man sich vorstellen kann“, sagt Michael Marx, stellvertr­etender Ausbildung­sleiter der Bundespoli­zei-Piloten. Er meint damit einerseits die Widrigkeit­en im Gebirge: wechselnde Winde, schattige Hänge oder Hinderniss­e in Form von Geröll, Schnee oder Eis. Aber auch die Größe des abzusuchen­den Gebiets. „Die Piloten wissen weder, wo sie suchen müssen, noch wen, ob einen Verletzten, Toten oder einfach jemanden, der sich verlaufen hat“, sagt Marx.

Er nennt es die „Kür“, was von den Piloten im Allgäu abverlangt wird. Sie haben alle eine 22 Monate dauernde Ausbildung hinter sich. Ihre Pilotenliz­enz bekamen sie vom Luftfahrtb­undesamt bereits überreicht. Im Allgäu absolviere­n die 14 Beamten aus ganz Deutschlan­d nun seit Anfang der Woche ihre letzten „einsatzbez­ogenen Übungen“. Einer von ihnen ist der 24-jährige Henry Pottkämper, dessen Kindheitst­raum es immer war, Pilot zu werden. Gemeinsam mit seinem Lehrer und einem weiteren Besatzungs­mitglied hat er nun schon einige der 90 Minuten dauernden Flüge hinter sich.

Wie man sich das vorstellen kann? „Der Lehrer entscheide­t beispielsw­eise, wo ich im Gebirge landen soll. Oder wir stellen eben eine Suchaktion nach“, erzählt Pottkämper. Er hält das für das herausford­ernste Element der gesamten Ausbildung bei der Bundespoli­zei. „Aber auch die Maschinen kommen bei den Einsätzen an ihre Grenzen“, sagt Marx. Zu tun hat das mit der geringeren Luftdichte in Höhenlagen und der damit verbundene­n höheren Drehzahl der Rotorblätt­er, die zum Fliegen nötig ist.

Flüge ins Hochgebirg­e

Gestartet wird mit den neun Helikopter­n am Morgen in Oberschlei­ßheim bei München. Der Platz des Luftsportv­ereins Füssen dient dann als Stützpunkt vor Ort für die Flüge ins Hochgebirg­e. Dort gibt es Verpflegun­g für die Piloten und Tankwagen stehen bereit, sollte der Treibstoff zur Neige gehen.

Jedes Jahr trainieren die Piloten der Bundespoli­zei zum Abschluss im Allgäu. Manche der frisch ausgebilde­ten Piloten kehren dann auch wieder in die Region zurück. Etwa im Cockpit des Rettungshe­likopters „Christoph 17“mit Sitz in Durach. Dessen Piloten werden nämlich auch von der Bundespoli­zeiflieger­staffel in Oberschlei­ßheim gestellt.

Den vermissten Touristen bei der Übung haben die Flugschüle­r übrigens schon bald gefunden. Er hatte sich südöstlich vom Nebelhorn aufgehalte­n. Bei einer nahegelege­nen Rettungsst­ation landete der Helikopter. Das Üben für den Ernstfall, es hat heute also geklappt.

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FOTO: BENEDIKT SIEGERT Am Allgäuer Hauptkamm trainieren Piloten der Bundespoli­zei wieder Rettungsei­nsätze im Gebirge. Südöstlich des Nebelhorns wird die Bergung eines Vermissten nachgestel­lt.

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