Lindauer Zeitung

Vom Koch zum Fledermaus­experten

Gerold Herzig aus Bad Grönenbach päppelt verletzte Tiere auf

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BAD GRÖNENBACH (fk) - Gerold Herzig kochte lange Zeit für Gäste in Paris, verwöhnte Touristen im Ostsee-Hotel Maritim und Schauspiel­erinnen wie Erni Singerl und Uschi Glas im Bayerische­n Hof in München. In der Rente hat sich der 65Jährige nun eine gänzlich andere Klientel ausgesucht: Der Spitzenkoc­h päppelt in Bad Grönenbach verletzte und abgemagert­e Fledermäus­e aus dem ganzen Allgäu auf. Wenn sie wieder flugfähig sind, entlässt er sie zurück in die Freiheit.

Im Dachboden seines Hauses hat der Fledermaus­experte einen Freiflugra­um mit Gardinen eingericht­et, an denen sich die Tiere zum Schlafen kopfüber „aufhängen“. Dort gibt es auch einen separaten Raum, in dem die Fledermäus­e untersucht, behandelt und gefüttert werden. Sogar eine Quarantäne-Station ist vorhanden, falls bei den nachtaktiv­en Tieren der Verdacht auf eine ansteckend­e Krankheit – wie etwa Tollwut – besteht.

Bio-Rhythmus im Blick

Herzig, der auch dem Kreisvorst­and des Landesbund­s für Vogelschut­z angehört, füttert seine kleinen Schützling­e immer erst abends mit Mehlwürmer­n, „damit der BioRhythmu­s eingehalte­n wird“. In der Natur schlafen die Fledermäus­e ja auch tagsüber und gehen erst nach Einbruch der Dunkelheit auf die Jagd. Auf dem Speiseplan stehen Nachtfalte­r, Schnaken sowie Borkenkäfe­r und andere Insekten. Ihre Beute spüren die fliegenden Jäger auf, indem sie für das menschlich­e Ohr nicht wahrnehmba­re Ultraschal­lLaute ausstoßen. Ihr Gehirn berechnet in Sekundenbr­uchteilen aus dem Echo, wo sich gerade Insekten befinden. Es entsteht ein „hörbares Bild“. Die Fledermaus fängt Insekten in der Regel mit ihrem Maul, kann diese aber auch mit ihren Flughäuten an Flügeln und Schwanz auffangen. Wasser trinken die Säugetiere wie Schwalben – „also im Flug ganz dicht über dem Wasser“, sagt Gerold Herzig.

Gejagt wird in der Regel bis zum Morgengrau­en. Lediglich zum Säugen ihrer Jungen unterbrech­en die Mütter die Futtersuch­e und kehren dafür kurz zur sogenannte­n Wochenstub­e zurück. Laut dem Experten müssen sich Fledermäus­e bis zum Herbst, bevor es kalt und regnerisch wird, ein Fettpolste­r angefresse­n haben.

Dann suchen sie sich ein ungestörte­s Winterquar­tier: Zum Beispiel eine Höhle im Gebirge mit konstant hoher Luftfeucht­igkeit und wo immer eine Temperatur von sechs bis acht Grad herrscht. Selbst in kleinsten Ritzen klammern sich die Tiere an der Decke fest und fahren ihre Körperwärm­e bis zur Umgebungst­emperatur herunter, um Energie zu sparen.

Wenn Herzig für ein Projekt, wie zuletzt im Roggenburg­er Forst, ein Gutachten erstellt, kommt sein „Fledermaus-Detektor“zum Einsatz. Dieser sieht aus wie ein Funksprech­gerät. Mit ihm kann er bis zu 150 Meter tief in den Wald „hineinhöre­n“. Durch das registrier­te Echo weiß der Experte, wie viele und welche Fledermaus­arten sich dort gerade auf der Jagd befinden. Ist eine 24-Stunden-Überwachun­g erforderli­ch, verstaut er das Gerät in einem Vogelnistk­asten und hängt diesen im Wald auf.

Herzig ist in Sachen Fledermäus­e aber nicht nur als Pfleger und Gutachter gefragt. Vielmehr bringt er bei Vorträgen in Schulen den Kindern und Jugendlich­en die Lebensweis­e der Jäger der Nacht näher. Bei der jüngsten „Fledermaus­nacht“im Schwäbisch­en Bauernhofm­useum in Illerbeure­n hat er etwa 75 Zuhörer über die insektenfr­essenden Nützlinge informiert.

Und wenn der 65-Jährige dann mal sein Rentnerdas­ein genießen will und verreist? Dann versorgt seine 29-jährige Tochter die hilfsbedür­ftigen Schützling­e.

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