Winterzeit
In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren zurückgestellt
„Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zu den Vorzügen, die Energieeinsparung ist im geringen Promillebereich“,
sagt der Direktor des Uhrenmuseums in Furtwangen, Eduard C. Saluz.
FURTWANGEN (dpa) - Ihre Zeit läuft ab: Die Zeitumstellung soll nächstes Jahr abgeschafft werden. Im Deutschen Uhrenmuseum müsste dann niemand mehr, wie nun am Wochenende, an den Zeigern drehen.
Rund 1300 Uhren sind im Deutschen Uhrenmuseum ausgestellt, rund 80 von ihnen ticken. Die Zeitumstellung ist hier stets eine Herausforderung und erfordert Handarbeit. Auch an diesem Wochenende, wenn die Uhrzeit zum Ende der Sommerzeit wieder verändert wird. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Aus der umstrittenen Zeitumstellung würde diese Arbeit überflüssig machen.
In der Nacht vom Samstag zum Sonntag (28. Oktober) werden die Uhren um 3 Uhr eine Stunde zurückgestellt. Die Sommerzeit endet. Diese Zeitumstellung, die sich an Jahreszeiten orientiert soll nach dem Willen der EU-Kommission ein Ende haben. Der Historiker Johannes Graf vom Deutschen Uhrenmuseum erinnert daran, dass es 1916 zum ersten Mal eine Zeitumstellung gegeben hat. „Und im nächsten Jahr wird die Abschaffung dieser Zeitumstellung 100 Jahre alt“, sagt Graf, also just in dem Jahr, in dem sie wieder einmal beendet werden könnte.
1916, in der Nacht zum 1. Mai, wurden Uhren erstmals weltweit eine Stunde vorgestellt. „Deutschland war damals mitten im Ersten Weltkrieg“, sagt Graf: „Die vom Deutschen Kaiserreich angeordnete Zeitumstellung sollte helfen, Energie zu sparen und war zugleich eine Machtdemonstration.“Deutschland wollte der Welt die Zeit vorgeben, so Graf. Doch es gab Widerstand im Kaiserreich, von der Bevölkerung und der Landwirtschaft sowie im Reichstag. Das belegen Dokumente von damals. Die Sommerzeit war umstritten und wurde 1919 nicht fortgeführt. In den 1940er-Jahren, im Zweiten Weltkrieg und danach, gab es wieder eine Sommerzeit. Das Tageslicht sollte besser ausgenutzt werden. 1949 kam erneut das Aus für die in der Bevölkerung ungeliebte Sommerzeit.
Rund drei Jahrzehnte später, Ende der 1970er-Jahre, gab es in Europa unterschiedliche Regelungen: Länder mit und solche ohne Sommerzeit, die auch noch zu unterschiedlichen Terminen begannen und endeten. Eine Vereinheitlichung sollte diesen „Zeitsalat“, wie es das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“1977 nannte, beseitigen.
Seit 1980 gilt in Deutschland wieder die Sommerzeit. 1981 schloss sich die Schweiz als letztes Land in Mitteleuropa an. Seit 22 Jahren ist sie europaweit einheitlich geregelt. Die Europäische Union (EU) dreht seit 1996 für alle verbindlich gleichzeitig am Zeiger: Zum Sommer geht es eine Stunde vor, zum Winter wieder eine Stunde zurück.
„Die Vorteile, die sich deren Befürworter von der Zeitumstellung erhofft haben, sind nie eingetreten und durch Untersuchungen längst widerlegt“, sagte der Direktor des Uhrenmuseums, Eduard C. Saluz. „Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zu den Vorzügen, die Energieeinsparung ist im geringen Promillebereich.“Dies habe der Bundestag schon 1974 festgestellt. Gleichzeitig sei die Zeitumstellung umstritten, die Gegner seien
in Umfragen stets in der Überzahl: „Sie empfinden die staatlich verordnete Zeitumstellung als einen Eingriff in ihre persönliche Freiheit.“Ein Vorteil sei jedoch, dass die Zeit einheitlich geregelt ist, sagt Wissenschaftler Graf: „Eine einzige Zeit für ganz Europa ist eine große Errungenschaft, ein Zeichen europäischer Einheit.“
Diese möglicherweise aufzugeben, überrasche. Es sei problematisch, wenn nach dem Aus der europaweit geltenden Zeitumstellung Nationalstaaten eigene Wege gehen würden und es unterschiedliche Zeitzonen in Europa gäbe. Ziel sollten gemeinsame und europaweite
Lösungen sein. Sonst drohe ein zeitliches Durcheinander, von dem die Bürger nichts hätten.
„Eingeführt worden ist die EUeinheitliche Zeitumstellung damals zur grenzüberschreitenden Harmonisierung der Zeit- und Lebensverhältnisse im zusammenwachsenden Europa“, sagt Graf. Dies gelte bis heute. Energieeinsparung habe für die EU keine entscheidende Rolle gespielt. Die jahreszeitlich bedingte Zeitumstellung fordert unterdessen das Museum heraus, wie Uhrmacher Matthias Beck sagt. Weil die überwiegend historischen Uhren der Umstellung nicht automatisch folgen, geht er von Samstagnachmittag an durch die Räume und dreht die Zeiger der Uhren per Hand von Sommerzeit auf die im Winter geltende Zeit – und im März umgekehrt. „Am Sonntagmorgen, wenn die ersten Besucher kommen, ticken dann alle Uhren richtig“, sagt er.