Geldregen erleichtert die Verhandlungen
Fortschritte auf Weg zur schwarz-orangefarbenen Koalition – Stillstand beim Flughafen
MÜNCHEN (lby) – Dank sprudelnder Steuereinnahmen können CSU und Freie Wähler in ihren Koalitionsverhandlungen bei der entscheidenden Schlussrechnung aus dem Vollen schöpfen. Für den Doppelhaushalt 2019/2020 darf die geplante schwarzorange Regierung ein dickes Plus von 318 Millionen Euro einkalkulieren. Die Steuerschätzung zeigt aber auch, und dies ist für alle laufenden Kosten erheblich, dass sich in Bayern wie im Bund die Zeit der hohen Steuerzuwächse dem Ende zuneigt.
Für Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger kommen die guten Steueraussichten zur richtigen Zeit: „Das ist sehr erfreulich und eröffnet neuen Handlungsspielraum für Themen, die beiden Parteien wichtig sind.“Das Geld werde gut angelegt und die weiteren Verhandlungen erleichtern. Details wollte er aber keine nennen.
Familienpolitik im Fokus
Bereits am Dienstag hatten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Aiwanger erklärt, dass der Schuldenabbau und ein ausgeglichener Haushalt weiter Priorität hätten. „Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden, jeder will seine Kernthemen ins Ziel bringen“, sagte Aiwanger am Dienstag. Darüber hinaus, da sind sich Freie Wähler und CSU auch einig, soll sich die Situation von Eltern und Kindern im Freistaat durch die selbst ernannte „Familienkoalition“deutlich verbessern.
Und genau hier haben die Verhandler den finanziell dicksten Brocken zu lösen. Die CSU will ihr mit rund 700 Millionen Euro pro Jahr zu Buche schlagendes Familiengeld für ein- und zweijährige Kinder erhalten, die Freien Wähler wollen eine zumindest stundenweise kostenfreie Kinderbetreuung durchsetzen. Details zu den Verhandlungen sind keine bekannt.
Dem Vernehmen nach deutet sich aber ein Kompromiss an, der neben dem Familiengeld auch eine kostenlose Kindergartenbetreuung vorsieht. Dazu könnte sich der Freistaat wie bereits beim dritten Kindergartenjahr auch in den ersten beiden Jahren mit einem Zuschuss beteiligen – Kostenpunkt: 280 Millionen Euro extra pro Jahr.
Darüber hinaus könnte beim zweiten Streitthema der Straßenausbaubeiträge („Strabs“) eine eigens eingerichtete Härtefallkommission Druck aus den Verhandlungen nehmen. Sie soll sich mit Rückerstattungsforderungen von Hauseigentümern beschäftigen.
Die Freien Wähler hatten eine Rückerstattung der abgeschafften Straßenausbaubeiträge bis Anfang 2014 gefordert, die CSU lehnte dies bislang ab.
Bei der von den Freien Wählern kritisierten Einrichtung von Polizeireiterstaffeln in Großstädten könnte sich ebenfalls ein Kompromiss abzeichnen – mit weniger Pferden an weniger Standorten. Die Meinungsverschiedenheiten zum Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen könnte unter Umständen ein Moratorium lösen, welches vorsieht, dass in der Legislatur keine Fakten dafür oder dagegen geschaffen werden.
Die Kompromisssuche soll nach Angaben von Söder am Montagnachmittag fortgesetzt werden, vormittags finden wegen der Trauerfeier für den früheren Chefredakteur des CSU-Parteiorgans „Bayernkurier“, Wilfried Scharnagl, keine Gespräche statt. Wann die Koalitionsverhandlungen enden, ist noch offen. Denkbarer Schlusstermin ist der 2. November.
Aiwanger zeigt sich optimistisch
FW-Chef Aiwanger äußerte sich indes in einem Radio-Interview mit dem Südwestrundfunk optimistisch über den Fortgang der Koalitionsverhandlungen. Zugleich relativierte er seine Äußerung, er strebe einen konstruktiven Umgang mit der AfD an, die neu in den bayerischen Landtag eingezogen war. „Wir wollen der AfD nicht hinterherlaufen“, sagte Aiwanger. „Wir wollen natürlich Themen übernehmen und Wählergruppen wieder zurückgewinnen, die AfD gewählt haben“, sagte Aiwanger. „Wir müssen deren Probleme lösen, um sie nicht mehr anfällig zu machen, künftig nochmal AfD zu wählen.“
Fest steht inzwischen, wie CSU und Freie Wähler den Vertrag final absegnen wollen: Bei den Christsozialen soll es eine gemeinsame Sitzung von Parteivorstand und Landtagsfraktion geben, wie CSU-Generalsekretär Markus Blume am Freitag ankündigte. Bei den Freien Wählern soll laut Aiwanger der Landesvorstand die letzte Entscheidung über den Koalitionsvertrag haben.
Offiziell ist inzwischen auch, dass der neu gewählte Landtag am 5. November zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen wird. Es ist das nach der Verfassung letztmögliche Datum. Die Wahl des Ministerpräsidenten ist erst später. Der letztmögliche Termin ist aber der 12. November.