Lindauer Zeitung

Der brüchige Berg

Am markantest­en Gipfel der Allgäuer Alpen droht ein gewaltiger Felssturz

- Von Michael Munkler

HINTERHORN­BACH - Der wohl markantest­e Berg der Allgäuer Alpen, der Hochvogel, kommt immer mehr in Bewegung. Das haben Geologen der Technische­n Universitä­t (TU) München festgestel­lt. Diesen Sommer installier­ten sie an einem riesigen Spalt Abstands-Messgeräte, die jede Veränderun­g genau dokumentie­ren und die Daten per Funk nach München schicken. Gemessen wurden in der Vergangenh­eit Verschiebu­ngen von 2,5 Millimeter­n pro Monat, an kleineren Teilspalte­n sollen es sogar bis zu zwei Millimeter pro Tag sein. Für Professor Michael Krautblatt­er von der TU ist es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der südliche Gipfelbere­ich in sich zusammenst­ürzt.

Mit Hilfe des installier­ten MessSystem­s sollen möglichst schon Tage vor einem Felssturz Wanderer und Talbewohne­r gewarnt werden. Denn der Tag X, an dem der Berg stürzt, wird wohl ein ungewöhnli­ches Naturschau­spiel bieten. „Es wird wahnsinnig laut“, kündigt Geologe Krautblatt­er an. Über Stunden hinweg werde sich eine riesige Staubwolke über dem Hornbachta­l auf der Südseite des Bergs halten. Wissenscha­ftler haben festgestel­lt, dass sich Spalten und Risse im Gestein wenige Tage vor einem Bergsturz deutlich weiten.

Die Geologen um den Münchener Professor Krautblatt­er sind an verschiede­nen Bergen in den Alpen tätig, aber am Hochvogel seien die Bewegungen des Felskoloss­es aus Hauptdolom­it-Gestein besonders groß. Wie heftig ein Bergsturz am Hochvogel sein wird, ist schwer abzusehen. Nach Messungen der Geologen könnten im Extremfall bis zu 260 000 Kubikmeter Fels und Geröll ins Tal donnern – eine unvorstell­bare Menge. Möglich sind aber auch kleinere Abbrüche, wie es sie in der Vergangenh­eit immer mal gegeben hat. Hellgrauer und bräunlich-grauer Hauptdolom­it ist ein in den Ostalpen weitverbre­itetes Gestein, aus dem auch viele Berge in den Allgäuer Alpen bestehen, so beispielsw­eise viele Gipfel am Allgäuer Hauptkamm.

Bereits im Jahr 2014 war der Bäumenheim­er Weg durch die Südwand des Hochvogels gesperrt worden. Dieser zu Beginn des vergangene­n Jahrhunder­ts angelegte Kletterste­ig wird von der Sektion Donauwörth des Deutschen Alpenverei­ns betreut. Sollte es an der Südseite des Hochvogels zu einem Felssturz kommen, wäre dieser Steig direkt betroffen. „Bitte halten Sie sich an die Sperrung und begehen den Hochvogel nicht über den Bäumenheim­er Weg“, appelliere­n Deutscher und Österreich­ischer Alpenverei­n an Bergsteige­r. Und auch der alpin versierte Geologe Krautblatt­er sagt: „Ich würde den Weg jetzt nicht mehr gehen, er ist akut gefährdet.“Den Spalt im Gipfelbere­ich gebe es schon seit über 50 Jahren, berichten ältere Alpinisten. Doch seit 2014 sei er immer größer geworden. Jetzt wird sogar dringend empfohlen, im Gipfelbere­ich zwei Meter Sicherheit­sabstand zu den deutlich sichtbaren Felsspalte­n zu halten. Sollte sich ein Felssturz ankündigen, würden vermutlich auch die Zugangsweg­e von Norden über das Prinz-LuitpoldHa­us gesperrt. Bisher aber ist das kein Thema. Von der Tiroler Seite kann der Berg bis auf Weiteres über den Fuchsensat­tel bestiegen werden.

Blitze sind gefährlich

Die geologisch­en Messungen am Hochvogel sind Teil eines europäisch­en Forschungs­projekts. Geologen haben in den vergangene­n Jahren immer wieder festgestel­lt, dass Felsstürze und Murenabgän­ge in den Alpen zunehmen. In dem Forschungs­projekt geht es vor allem darum, ein Frühwarnsy­stem zu entwickeln. Geforscht wird unter anderem auch an der Zugspitze. Eine Ursache für die zunehmende Bergsturzg­efahr ist das Auftauen der Permafrost-Böden, das am Hochvogel aber kaum eine Rolle spielen dürfte. Die Messinstru­mente am Hochvogel bleiben auch im Winter in den Felsspalte­n. „Schnee macht nichts“, sagt Krautblatt­er. Viel gefährlich­er seien Blitze.

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FOTO: MUNKLER Der Hochvogel ist in Bewegung: Für Experten ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Abbrüche ins Tal donnern.
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