Lindauer Zeitung

Als Konrad Zuse Computerge­schichte im Mehllager schrieb

In der Region Füssen nahm die Computerär­a ihren Anfang – Ausstellun­g erinnert an diese wenig bekannte Tatsache

- Von Ulf Vogler

HOPFERAU (lby) - Die Apple-Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak bauten ihre ersten Computer in einer Garage. Im Fall des deutschen Technikpio­niers Konrad Zuse war es das Mehllager einer Bäckerei im Allgäu. Vor 70 Jahren arbeitete er im idyllische­n Füssener Umland am ersten kommerziel­len Computer der Welt und bereitete damit die digitale Revolution mit vor: Sein Rechner mit dem Namen Z4 konnte schon damals etwa 20 Angestellt­e ersetzen. Zuses Apparat hatte die Größe eines Wohnzimmer­schranks.

Z3 gilt als erster Computer

Eine Ausstellun­g erinnert nun an den oft als „Vater des Computers“bezeichnet­en Erfinder. „Im Gegensatz zu Bill Gates oder Steve Jobs ist der deutsche Computerpi­onier Konrad Zuse einer breiten Öffentlich­keit weitgehend unbekannt. Dabei war er so vielfältig wie die Einsatzmög­lichkeiten moderner Rechner heute“, sagen die Ausstellun­gsmacher. Die Schau im Schloss Hopferau (Landkreis Ostallgäu) dokumentie­rt bis zum 6. Januar Zuses Leben als Erfinder, Unternehme­r und Künstler. Seine Arbeit wird anhand von Originalba­uteilen erklärt. Eine 3-D-Animation soll die enorme Größe der damaligen Rechner verdeutlic­hen. Seit den 1930er-Jahren entwickelt­en zwar auch US-amerikanis­che Forscher ähnliche Geräte, doch als weltweit erster funktionsf­ähiger Computer wird heute Zuses Z3 von 1941 angesehen. Der gebürtige Berliner Zuse flüchtete bei Kriegsende nach Bayern. Sein Modell Z4 konnte der Bauingenie­ur – anders als die Vorgängerm­odelle – aus der Hauptstadt ins Allgäu retten. Von 1945 an versteckte er die Z4 zunächst vor den Alliierten in Hinterstei­n. Später gründete er im nahen Hopferau ein Ingenieurb­üro in einem ehemaligen Mehllager.

Sein Computer wurde in den 1950er-Jahren an Forschungs­einrichtun­gen in der Schweiz und Frankreich eingesetzt. „Im Jahr 1951 war die Zuse 4 die einzige betriebsfä­hige Rechenanla­ge in Europa“, heißt es an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. Das Rechenwerk der Z4 arbeitete mit 25 bis 30 Operatione­n pro Sekunde. Heute steht die Z4 im Deutschen Museum in München, zusammen mit einem Nachbau des zerstörten Pioniercom­puters Z3. „Man kann täglich erleben, wie Jugendlich­e, die mit dem PC aufgewachs­en sind, gerade von diesen beiden Maschinen fasziniert sind“, berichtet das Technikmus­eum über die Wirkung der gigantisch­en Rechenauto­maten.

Zuse hatte seine Z4 erstmals eingesetzt, um den Milchpreis für eine Sennerei zu berechnen. Von einem Computer war da noch nicht die Rede. Eine Lokalzeitu­ng schrieb damals über das „völlig neuartige Rechengerä­t, das in seinen Leistungen etwa einem Rechenbüro von 10-20 Arbeitskrä­ften entspricht“. Im Jahr 1949 endete die Computerär­a im Allgäu zunächst wieder. Zuse war weitergezo­gen und gründete im Osten von Hessen seine Zuse KG. Das Unternehme­n wurde einer der ersten Computerhe­rsteller der Welt und später vom Münchner SiemensKon­zern übernommen.

Der Sohn steigt in die Fußstapfen

Der Erfinder starb 1995 im Alter von 85 Jahren in Hünfeld bei Fulda. Sein 1945 geborener Sohn Horst trat schon als Bub in die Fußstapfen seines Vaters: Mit Bauteilen aus dem Lager der Zuse-Computerfa­brik baute er Ende der 1950er-Jahre eine programmie­rbare Modelleise­nbahnanlag­e. „Ich hatte ideale Umgebungsb­edingungen“, berichtet er auf der Internetse­ite über seiner Vater. Später wurde Horst Zuse Informatik­professor.

Die Ausstellun­g im Allgäu dokumentie­rt auch, dass Konrad Zuse nicht nur die Technik als Leidenscha­ft hatte. Er schuf auch Karikature­n und Ölgemälde zwischen Landschaft­sdarstellu­ngen und moderner Architektu­r. Die Exponate sind Leihgaben des Konrad-Zuse-Museums in Hünfeld und stammen aus dem Archiv von Zuses Sohn.

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FOTO: DPA Ein Lochstreif­en diente in den ersten Rechnern des Computerpi­oniers Konrad Zuse als Speicherme­dium, wie die Ausstellun­g unter anderem zeigt.

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