Lindauer Zeitung

Flugzeug-Anlegern droht Bruchlandu­ng

Experten erwarten weitere Insolvenze­n in der europäisch­en Luftfahrtb­ranche

-

FRANKFURT (AFP) - Zu schön, um wahr zu sein – 7,25 Prozent jährliche Rendite, kaum Risiko. Der Anleger Arn Strohmeyer konnte den Verspreche­n seines Bankberate­rs nicht widerstehe­n. Er investiert­e 50 000 Dollar in ein vermeintli­ch sicheres Geschäft: Ein Fonds, der ein Flugzeug kauft und an Fluggesell­schaften vermietet. Zehn Jahre später, am Jahrestag der Air-Berlin-Pleite, wünscht sich der Rentner, er hätte es nicht getan.

Denn dem Geschäft mit dem Flugzeug-Leasing droht eine Bruchlandu­ng – zumindest wenn es nach Tobias Hartwig geht. Hartwig arbeitet bei dem Insolvenzv­erwalter Schultze & Braun und hat eine Marktauswe­rtung über die Flugzeug-Fonds in Deutschlan­d erstellt. Das Ergebnis: Von rund 70 Fonds seien mehr als 40 „akut gefährdet“. Weil viele Leasing-Verträge auslaufen, seien in den nächsten beiden Jahren Anlegergel­der in Milliarden­höhe in Gefahr.

Der Grund: „Die europäisch­e Flugbranch­e ist ein völlig übersättig­ter Markt, der sich gerade bereinigt“, sagt Hartwig. Air Berlin stehe in einer Reihe mit den Insolvenze­n der Fluggesell­schaften Alitalia, Monarch oder aktuell Small Planet. „Ich bin mir sicher, dass wir innerhalb der nächsten zwei Jahre weitere Luftfahrt-Insolvenze­n erleben werden.“

Als Strohmeyer 2008 sein Erspartes in ein Flugzeug steckte, sah es rosiger aus. Airbus lieferte die ersten Maschinen seines Riesenflug­zeugs A380 aus. „Der Bankberate­r hat mir den A380 in den schönsten Farben dargestell­t“, erzählt der 76-Jährige. „Er sprach auch von abstrakten Risiken, meinte aber, dass ich in diesem Fall nicht mit Problemen rechnen müsse. Wie die Anlage genau funktionie­rt, hat mich nicht sonderlich interessie­rt.“Doch das Geschäft mit dem A380 entwickelt­e sich nicht so gut wie von der Fondsgesel­lschaft Dr. Peters prognostiz­iert. Der Leasingneh­mer Singapore Airlines kündigte den Vertrag, die Fondsgesel­lschaft konnte keinen Nachfolger auftreiben. Zu teuer ist der Betrieb der Riesenvöge­l. Zur gleichen Zeit, als Air Berlin pleiteging, drohte auch Strohmeyer der Verlust eines Großteils seines Ersparten.

Flugzeuge sind Ladenhüter

Denn den größten Teil der Rendite erwirtscha­ften Flugzeug-Fonds am Ende der Laufzeit, wenn sie die Maschine verkaufen. Die gebrauchte­n A380 sind aber Ladenhüter. „Die Hersteller wollen neue Flugzeuge verkaufen und drücken moderne Maschinen zu sehr vernünftig­en Preisen in den Markt. Da will niemand Gebrauchtf­lugzeuge“, erklärt Luftfahrte­xperte Hartwig. So steht Strohmeyer­s A380 ungenutzt herum und verursacht hohe Kosten.

Ein Schicksal, das laut Hartwig auch den Maschinen anderer Fondsgesel­lschaften drohen kann. Denn in den vergangene­n Jahren haben zahlreiche Anbieter wie Commerzban­k, Doric und Hannover Leasing Flugzeug-Fonds aufgelegt.

Strohmeyer­s Anwältin Nicole Mutschke kritisiert eine fehlende Transparen­z bei den Fondsgesel­lschaften. „Es wird selten gesagt, dass im schlimmste­n Fall alles weg ist.“Denn wenn ein Flugzeug-Fonds pleitegeht, stehen Anleger mit ihren Forderunge­n ganz hinten. Erst sind die Banken dran, die für den Kauf der Flugzeuge Kredite gegeben haben und dafür die Maschine als Sicherheit bekommen.

Ulrike Germann von Dr. Peters sagt: „Wir haben eine sehr offene Kundenkomm­unikation.“Für ihre Kunden habe die Firma in einem harten Markt das beste Ergebnis herausgeho­lt. Die Triebwerke von Strohmeyer­s Flugzeug werden vermietet, der Rest in Einzelteil­en verkauft. Dr. Peters rechnet noch mit einer Jahresrend­ite von 3,4 Prozent – der Hälfte dessen, was Strohmeyer ursprüngli­ch versproche­n wurde. Bislang hat der Rentner aber tatsächlic­h nur etwas mehr als die Hälfte seiner Ersparniss­e ausbezahlt bekommen – ohne Zinsen.

Dr. Peters will schon in den kommenden Monaten neue Fonds für Flugzeuge anbieten. Strohmeyer wird wohl nicht mehr anlegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany