Lindauer Zeitung

Italien bleibt stur

Regierung im Etatstreit mit der EU unbeirrt – Finanzmini­ster besorgt über Staatsanle­ihen auf schädliche­m Niveau

- Von Jürgen Sabel und Annette Reuther

ROM (dpa) - Nach weiteren negativen Signalen für die Finanzmärk­te hat Italiens Finanzmini­ster das unsichere politische Klima in seinem Land für die Nervosität verantwort­lich gemacht. Grund für die Unruhe seien nicht die Fundamente der Wirtschaft oder die Zahlen im Haushalt, sondern die „politische Unsicherhe­it, wohin das Land geht“, sagte der parteilose Giovanni Tria am Samstag nach Angaben italienisc­her Nachrichte­nagenturen. Die Risikoaufs­chläge auf italienisc­he Staatsanle­ihen seien auf dem derzeit hohen Niveau „schädlich“.

Die Ratingagen­tur Standard & Poor’s hatte Italien am Freitag mit der Herabstufu­ng der Kreditwürd­igkeit gedroht und den Ausblick von „stabil“auf „negativ“gesetzt. Die Bonitätsno­te bleibe aber zunächst weiter bei „BBB“. Dies sind zwei Stufen über dem sogenannte­n Ramschnive­au, das hochspekul­ative Anlagen beschreibt.

Die Haushaltsp­olitik der Regierung in Rom sorgt seit Wochen für Verunsiche­rung an den Märkten, weil Italien mehr neue Schulden aufnehmen will und sowieso schon so hoch verschulde­t ist wie kaum ein Land in der Welt. Die EU-Kommission hatte den Haushaltse­ntwurf abgelehnt, weil er nicht mit den Stabilität­skriterien in der Eurozone vereinbar sei. Die Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega will nicht einlenken und zeigt sich europafein­dlich.

Je größer der Risikoaufs­chlag auf italienisc­he Staatsanle­ihen (Spread) ist, desto mehr steigen die Zinsen auf neu aufgenomme­ne Staatsschu­lden. Aus Sicht der Ratingagen­tur gefährdet die derzeitige Entwicklun­g auch die bereits angeschlag­enen italienisc­hen Banken. Diese halten hohe Bestände an heimischen Anleihen.

„Der Spread in dieser Höhe ist schädlich, niemand kann das Gegenteil sagen. Die Frage ist, wie bringen wir ihn runter“, sagte Tria. Entscheide­nd sei die Frage, wie sich die Regierung in Rom gegenüber Europa und dem Euro positionie­re.

Premiermin­ister Giuseppe Conte zeigte sich nach dem Urteil der Ratingagen­tur zuversicht­lich. „Wir haben Vertrauen, dass die Märkte und internatio­nalen Institutio­nen die Wirksamkei­t unserer Maßnahmen verstehen werden.“

Vize-Premier und Lega-Chef Matteo Salvini gab sich jedoch uneinsicht­ig: „In Italien gehen weder Banken noch Unternehme­n in die Luft.“Ebenso der zweite Vize-Premier, SterneChef Luigi Di Maio: „Wir machen weiter! Der Wandel steht bevor.“

In der Schusslini­e der Regierung stand zuletzt auch der Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), der Italiener Mario Draghi. Der hatte letzte Woche unter anderem gesagt, wenn die Regierung in Rom die italienisc­hen Banken schützen wolle, sollte sie ihren Ton gegenüber der EU mäßigen. Di Maio erklärte daraufhin: „Ich bin überrascht, dass ein Italiener die Atmosphäre auf diese Art und Weise weiter vergiftet.“

Dass es innerhalb der Regierung in Rom Spannungen gibt, wurde auch am Wochenende deutlich: Der als gemäßigt geltende Technokrat Tria verteidigt­e Draghi. Er habe als Chef der Europäisch­en Zentralban­k die Wahrheit gesagt.

Nach Vorstellun­g der Italiener soll das Haushaltsd­efizit im kommenden Jahr bei 2,4 Prozent liegen. Ursprüngli­ch waren 0,8 Prozent zugesagt.

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FOTO: DPA Giovanni Tria, italienisc­her Wirtschaft­sund Finanzmini­ster.

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