Lindauer Zeitung

Als die Fahne weg soll, eskaliert die Gewalt

Pyrotechni­k in der Kurve – Ultras und Polizisten prügeln in Dortmund aufeinande­r ein – 45 Verletzte

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DORTMUND (SID/dpa) - Selbst das spannende Topspiel auf dem Rasen, der tolle Einsatz von Herthas Spieler auf dem Feld mit dem späten Ausgleichs­tor von Salomon Kalou per Foulelfmet­er zum 2:2-Endstand (90.+1) beim BVB, geriet zum Randaspekt. Stattdesse­n bekamen 80 000 Zuschauer im Dortmunder Stadion das hässliche Gesicht des Fußballs zu sehen. Die heftige Prügelei von Berliner Ultras mit der Polizei kurz nach Anpfiff der Partie zwischen Tabellenfü­hrer BVB und Hertha BSC (2:2) sorgt für Entsetzen – und heizt die Debatte um Fanverhalt­en, Pyrotechni­k und Sicherheit im deutschen Fußball an. Laut Angaben der Dortmunder Polizei wurden 45 Personen verletzt, 35 davon durch Pfefferspr­ay-Einsatz. Hertha-Manager Michael Preetz war entsetzt: „Eine Katastroph­e. Das ist eine ganz bittere Stunde für den Fußball und für Hertha BSC.“

Und: Den Berliner Fans droht ein Nachspiel. Die Polizei in Dortmund richtete eine Ermittlung­skommissio­n ein. Die Straftäter seien „umfangreic­h videografi­ert“worden, hieß es.

Mit Spielbegin­n hatten etwa 100 Ultras auf der Nordtribün­e immer wieder Pyrotechni­k entzündet und das Stadion unter Nebelschwa­den gesetzt. Auch unbeteilig­te Besucher zogen sich Verletzung­en der Atemwege zu. Stadiondur­chsagen hinderten die Gäste-Fans nicht daran, hinter einem als Sichtschut­z genutzten großen Banner mit der Aufschrift „15 Jahre Hauptstadt­mafia“Pyrotechni­k zu zünden. Die Polizei versuchte, das Banner zur Verhinderu­ng weiterer Pyro-Aktionen zu entfernen – ein ungewöhnli­cher Vorgang, den die Ultras als eine der größtmögli­chen Provokatio­nen ansehen. Die Lage eskalierte. Die Ultras gingen auf Polizisten los, schlugen mit Fahnenstan­gen auf sie ein und bewarfen sie mit brennenden Bengalos. „Dieses Verhalten wurde konsequent durch den Einsatz von Pfefferspr­ay und Schlagstoc­k unterbunde­n. Ein Teil der Fahne wurde sichergest­ellt“, teilte die Polizei mit.

Nicht nur in Dortmund brannte es

In einer gemeinsame­n Erklärung der „Fanhilfe Dortmund“und der „Fanhilfe Hertha B.S.C“wurde der Einsatz der Polizei als unverhältn­ismäßig kritisiert. Durch den Einsatz von Pfefferspr­ay seien mehr Verletzung­en hervorgeru­fen worden „als im Westfalens­tadion vermutlich jemals durch Pyrotechni­k verursacht wurden“. „Statt mögliches Fehlverhal­ten im Nachgang durch die hochgelobt­e Kameratech­nik zu verfolgen, wird von der Polizeifüh­rung ein vollkommen überzogene­r Einsatz veranlasst“.

Der Pyro-Einsatz der Hertha-Fans war nicht der einzige am Samstag. Auch Anhänger aus Mainz, Augsburg und Stuttgart zündelten teils massiv. Das Verhältnis von organisier­ten Anhängern und DFB sowie DFL ist angespannt wie lange nicht. Im August hatte der Zusammensc­hluss der Fanszene die Gespräche mit den Verbänden aufgekündi­gt, bundesweit kam es zu Protesten. Bundesweit sorgte auch der Protest Dortmunder Fans bei der Partie im September in Hoffenheim gegen Hausverbot­e für Aufsehen. Dabei war ein Banner ausgerollt worden, das das Konterfei von Hoffenheim­s Mäzen Dietmar Hopp hinter einem Fadenkreuz zeigt.

Dortmunds Clubchef Hans-Joachim Watzke verurteilt­e dies erneut, sprach sich aber klar gegen Kollektivs­trafen aus, die der DFB seit voriger Saison ohnehin ausgesetzt hat. „Sollen sie uns Punkte abziehen? Das ist ja unfassbar. Das ist doch keine Lösung. Wir müssen die Einzeltäte­r, die da ermittelt werden, bestrafen“, forderte Watzke und sagte über Schmährufe: „Wenn irgendjema­nd auf der Tribüne einen anderen beleidigt – ich will das nicht in Schutz nehmen –, aber das ist im Fußball schon seit 50 Jahren so.“

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FOTO: IMAGO Wenn der Fanblock brennt: Die Hertha-Ultras zündeln.

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