Lindauer Zeitung

An den Berufsschu­len droht ein massiver Lehrermang­el

Bis 2030 geht fast die Hälfte in Pension – Bertelsman­n Stiftung fordert, Zahl der Studienplä­tze deutlich zu erhöhen

- Von Dieter Keller

BERLIN - Bis zum Jahr 2030 werden an den Berufsschu­len bundesweit etwa 60 000 neue Lehrkräfte gebraucht. Denn fast die Hälfte der rund 125 000 Berufsschu­llehrer geht bis dahin in Pension. Es werden aber viel zu wenige ausgebilde­t: jährlich derzeit nur etwa 2000. Benötigt werden aber doppelt so viele, schlägt die Bertelsman­n Stiftung Alarm.

Die Zahlen hat der Bildungsfo­rscher Klaus Klemm für die Stiftung ausgerechn­et. „Ein Mangel an Berufsschu­llehrern schwächt unser Ausbildung­ssystem“, warnte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsman­n Stiftung. „Das nimmt Jugendlich­en wichtige Bildungsch­ancen und schadet der Wirtschaft.“

Die Kultusmini­ster unterschät­zen nach Ansicht von Klemm den Bedarf. Denn sie berücksich­tigen nicht, dass die Geburtenra­te seit 2015 steigt und es daher mehr Schüler gibt. Nach seinen Berechnung­en ist nur von 2021 bis 2025 eine gewisse Entspannun­g zu erwarten. Dann müssen bundesweit 3300 neue Berufsschu­llehrer pro Jahr eingestell­t werden. Danach steigt allerdings der Bedarf bis 2030 auf 4800 und bis 2035 sogar auf 6000.

Bundesweit gab es im Schuljahr 2016/17 über 2,5 Millionen Berufsschü­ler. Davon besuchten 960 000 Vollzeitun­terricht, etwa in Berufsfach­schulen oder in Fachgymnas­ien. Die übrigen wurden in Teilzeit ausgebilde­t, sie gingen also neben der Lehre im Betrieb für den schulische­n Teil in die Berufsschu­le.

Im Westen Entspannun­g bis 2025

Die größten Probleme drohen in den ostdeutsch­en Flächenlän­dern. Denn hier steigt die Zahl der Schüler kontinuier­lich an von aktuell 276 000 auf 303 000 im Jahr 2035. Auch in den Stadtstaat­en Berlin, Bremen und Hamburg gibt es eine Zunahme. Dagegen rechnet Klemm in den westdeutsc­hen Flächenlän­dern mit einer zeitweilig­en Entspannun­g, weil die Schülerzah­len bis etwa 2025 um zehn Prozent zurückgehe­n und erst danach wieder zunehmen dürfte. Bundesweit sind 48 Prozent der Lehrkräfte über 50 Jahre alt.

Nötig sei, mehr Berufsschu­llehrer auszubilde­n. Allerdings seien die Ausbildung­skapazität­en für Berufsschu­llehrer an vielen Unis zurückgefa­hren worden. Dabei dauert die Ausbildung einschließ­lich Referendar­iat in der Regel mehr als sieben Jahre. Vor allem bei gewerblich-technische­n Fächern drohen große Nachwuchsp­robleme. Hinzu kommen 1000 Absolvente­n pro Jahr, die auf Lehramt an Gymnasien studiert haben und in allgemeine­n Fächern eingesetzt werden. Schon bis 2020 können nur drei von vier Stellen mit ausgebilde­ten Lehrkräfte­n besetzt werden. Quer- und Seiteneins­teiger seien daher weiter wichtig. Derzeit ist jeder Dritte kein ausgebilde­ter Berufsschu­llehrer. Kurzfristi­g können sich die Länder bemühen, Teilzeitkr­äfte zu mehr Stunden zu motivieren. 30 Prozent arbeiten nicht voll.

Wenn mehr Berufsschu­llehrer ausgebilde­t werden, erfordert das auch mehr Geld. Bis 2025 muss die öffentlich­e Hand mindestens 1,6 Milliarden Euro mehr ausgeben, hat die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) ausgerechn­et. Davon entfallen 1,3 Milliarden Euro auf die Bundesländ­er, der Rest auf Landkreise und kreisfreie Städte.

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FOTO: DPA Ausbildung am Technische­n Schulzentr­um in Sindelfing­en: Bis 2030 werden 60 000 neue Lehrkräfte gebraucht.

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