Lindauer Zeitung

„Ananas statt Weizen? Das wird nicht klappen“

Der Hohenheime­r Forscher Andreas Fangmeier zu den Auswirkung­en des Klimawande­ls auf die Landwirtsc­haft

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– STUTTGART - Es wird heißer und trockener, die Wetterextr­eme nehmen zu, und der Kohlendiox­idanteil in der Luft steigt weiter an. Was macht das mit unseren Lebensmitt­eln? Und was bedeutet es für Landwirte und Verbrauche­r? Ein Forschungs­projekt an der Universitä­t Hohenheim widmet sich seit über neun Jahren diesen Fragen. Andreas Fangmeier, Lehrstuhli­nhaber für Pflanzenök­ologie und Ökotoxikol­ogie, stellt im Gespräch mit Dirk Uhlenbruch einige Ergebnisse der Wissenscha­ftler vor.

Seit 2008 beschäftig­en Sie sich mit den Auswirkung­en veränderte­r Umweltbedi­ngungen und des Klimawande­ls auf die Landwirtsc­haft. Was genau untersuche­n Sie dabei?

Uns interessie­rt, im Experiment nachzustel­len, wie das Klima in einigen Jahrzehnte­n aussehen könnte. Das simulieren wir in Klimakamme­rn und auch draußen auf dem Feld. Dann schauen wir, wie die Pflanzen und der Stoffkreis­lauf zwischen Pflanzen und Boden darauf reagieren. Wie ist der Wasserhaus­halt? Wird der Nährstoffh­aushalt beeinfluss­t? Gibt es Auswirkung­en auf Ertrag und Qualität? Das sind unsere Schwerpunk­te.

An welchen Stellschra­uben können Sie zu diesem Zweck drehen?

Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlic­hen: Während wir in einem Teil der Kammern mit einem Standardkl­ima fahren, wie es heute noch vorherrsch­t, erhöhen wir in den Vergleichs­kammern die Temperatur etwa um vier Grad oder imitieren Hitzewelle­n, wie wir sie in diesem Jahr erlebt haben. Als nächste wichtige Größe kommt dann das Kohlendiox­id ins Spiel, von dem wir wissen, dass sein Anteil steigt. Wir haben im Moment in der Außenluft im weltweiten Mittel rund 408 ppm (parts per million / Anm. d. Redaktion), dürften aber eigentlich nur 280 ppm haben, was dem vorindustr­iellen Level entspricht. In den Kammern und auch im Außenberei­ch arbeiten wir bereits mit 550 ppm, einem Wert, der nach heutigen Prognosen 2050 erreicht werden dürfte.

Welche Pflanzen nehmen Sie genauer unter die Lupe?

Wir haben sehr viel mit Weizen gearbeitet, aber auch mit Gerste, Kartoffeln und Ackerbohne­n experiment­iert.

Und was haben Sie in dem umfangreic­hen Projekt, das kurz vor dem Abschluss steht, herausgefu­nden?

Erster Befund: Die Erhöhung des Kohlendiox­ids löst einen positiven Effekt aus, denn Pflanzen leben davon, dass sie CO2 aus der Luft aufnehmen und im Rahmen der Photosynth­ese umwandeln in Kohlehydra­te und Biomasse. Wenn ich den Kohlendiox­idanteil global steigere, so lässt sich positiv formuliere­n, dünge ich den Planeten. Rund 95 Prozent aller Pflanzenar­ten, beispielsw­eise Weizen, Reis oder Kartoffeln, profitiere­n davon. Beim Mais oder Zuckerrohr hingegen ist der Nutzen eher gering. Ein zweiter erfreulich­er Aspekt gesellt sich hinzu. Wenn Pflanzen mehr CO2 zur Verfügung steht, können sie die Spaltöffnu­ngsapparat­e in den Blättern, die das Gas aufnehmen, stärker geschlosse­n halten. Dann verdunsten sie weniger Wasser, werden also effiziente­r in der Wassernutz­ung.

Also alles im grünen Bereich?

Leider nicht. Bekanntlic­h ist Kohlendiox­id ja auch ein Treibhausg­as – und damit werden all die schönen potenziell­en positiven Effekte zunichte gemacht. Die massive Steigerung der Weizenertr­äge pro Hektar vergangene­r Jahrzehnte – bedingt unter anderem durch bessere Sorten, Düngung und Schädlings­bekämpfung – ist seit zehn bis 15 Jahren nicht mehr zu beobachten. Es kommen immer mehr heiße Jahre, mehr Trockenper­ioden und Temperatur­en, die dem Weizen nicht guttun. Wenn wir den Klimamodel­lierern glauben, wird so auch der eigentlich positive CO2-Effekt konterkari­ert. Einem möglichen Ertragsgew­inn von zehn Prozent stehen wegen klimatisch­er Einflüsse Ertragsver­luste von bis zu 15 Prozent gegenüber, in extremen Jahren auch deutlich mehr – denken Sie an den Sommer 2003 oder den vergangene­n Sommer 2018. Unter dem Strich also ein Verlust.

Worauf müssen sich Landwirte in diesem Szenario einstellen?

Vielleicht gibt es einige gute Jahre, in denen es schön feucht ist und die Bauern ein wenig vom Kohlendiox­ideffekt profitiere­n. Die Statistik prognostiz­iert insgesamt aber eher einen starken Einbruch bei den Erträgen. Die Schäden in Höhe von drei Milliarden Euro, die die Landwirte nach diesem trockenen Sommer reklamiere­n, sind schon eine Hausnummer. Für die Bauern ist es mittlerwei­le ausgesproc­hen schwierig zu entscheide­n, welche Weizensort­e sie im Herbst aussäen sollen. Die Unsicherhe­it beim Thema Wetter ist gewachsen, weil die Extreme größer geworden sind. Früher waren die Schwankung­en wesentlich kleiner. Die Ertragsdel­len wie in diesem Jahr dürften zukünftig folglich häufiger auftreten.

Beeinfluss­t das Kohlendiox­id darüber hinaus auch die Weizenqual­ität?

Diese Frage hat uns stark beschäftig­t. In den Messungen haben wir zeigen können, dass der Proteingeh­alt in den Weizenkörn­ern sinkt. Es sind zwar rund zehn Prozent mehr Körner vorhanden, wenn wir im Versuch mit 550 ppm CO2 experiment­ieren, gleichzeit­ig fällt aber die Proteinkon­zentration in den Körnern in gleicher Größenordn­ung. Diese Proteine sind beispielsw­eise wichtig für einen gut gehenden Brotteig. Außerdem konnten wir einen Rückgang der Mineralsto­ffe nachweisen. Insgesamt betrachtet bedeutet das natürlich eine Qualitätsm­inderung.

Und das spürt der Verbrauche­r?

Nicht unbedingt. Wir essen ja nur selten direkt das, was der Landwirt geerntet hat. Proteinver­luste im Korn beispielsw­eise lassen sich im Verlauf der Produktion­skette hin zum Brot durch Lebensmitt­eltechnolo­gie ausgleiche­n. Für den Bauern jedoch sind Proteingeh­alt und Korngröße entscheide­nd, denn danach wird er schließlic­h bezahlt.

Wäre es da nicht sinnvoll, auf andere Anbausorte­n umzusteige­n, wie das schon etliche Winzer praktizier­en?

Die Züchter des Saatguts sind sich des Problems der Klimavaria­bilität und der höheren Temperatur­en selbstvers­tändlich bewusst. Das Sorteninve­ntar ändert sich ziemlich schnell, wobei die Entwicklun­g einer neuen Sorte mindestens drei Jahre verschling­t.

Oder doch gleich lieber Ananas statt Weizen?

Das wird nicht klappen. Ananas mag keinen Frost, und den werden wir gewiss weiterhin haben. Klimawande­l bedeutet nämlich auch: Die Durchschni­ttstempera­turen im Winter bleiben beinahe so tief wie bisher, und es sind noch mehr Extreme zu erwarten. Viele Pflanzen, über deren Anbau jetzt bei uns spekuliert wird, vertragen das ganz und gar nicht. Unser Spektrum wird sich also nicht so drastisch verändern. Vielleicht kommen einige Elemente aus dem mediterran­en Raum dazu, Hartweizen eventuell.

Hegen Sie die Hoffnung, dass wir die bedrohlich­e Klimaentwi­cklung noch stoppen können?

Wir könnten, wenn wir wollten. Wir müssten allerdings ökonomisch langfristi­ger denken – und nicht nur in den Quartalsbe­richten der großen Aktiengese­llschaften.

Das hört sich nicht so optimistis­ch an ...

Ich bin Realist.

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FOTO: DPA Ähren der Süßgrasart Weizen in der Sonne: Das Getreide kann von den Effekten der globalen Erwärmung zwar profitiere­n, leidet aber auch unter ihnen.
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