Lindauer Zeitung

Bürgerbete­iligung bleibt analog

Die erste „Bürgerwerf­t“zum Thema Gartenscha­u ist am Montag.

- Von Julia Baumann

LINDAU - Die Stadt Lindau will die Bürgerbete­iligung an städtische­n Themen besser strukturie­ren. Unter dem Begriff „Bürgerwerf­t – miteinande­r unsere Stadt gestalten“läuft künftig alles zusammen, was im engeren oder weiteren Sinn damit zu tun hat. In der sogenannte­n Projektwer­ft können Bürger außerdem eigene Themen vorschlage­n und in der Gruppe weiterentw­ickeln. Bei beidem setzen die Verantwort­lichen zum großen Teil auf analoge Methoden. Dafür haben sie ihre Gründe.

„Überall wird in Sachen Bürgerbete­iligung experiment­iert, die meisten setzen dabei auf die digitale Variante“, sagt Jürgen Widmer, Pressespre­cher der Stadt. In sozialen Netzwerken wie „Facebook“, aber auch bei sogenannte­n Mecker-Apps sei der Umgangston allerdings oft rau. „Leute, die mal gemeinsam am Tisch saßen, gehen hinterher anders miteinande­r um.“Aus diesem Grund halte die Stadtverwa­ltung digitale Kanäle als Kern der Bürgerbete­iligung nicht für sinnvoll.

Alles, was in Lindau künftig unter dem Begriff „Bürgerwerf­t“läuft, ist im Prinzip nicht neu. Dazu gehört die Bürgervers­ammlung ebenso wie größere und kleinere Informatio­nsveransta­ltungen, Podiumsdis­kussionen und Bürgerwork­shops. „Mitgestalt­en heißt: gehört werden und seine Ideen einbringen“, sagt Widmer – und stellt gleichzeit­ig klar: „Die Entscheidu­ngen liegen beim Stadtrat.“

Den Auftakt zur „Bürgerwerf­t“macht ein Informatio­nsabend zum Thema „Gartenscha­u“am Montag in der Inselhalle. „Wir haben das Problem, dass einige Kritiker die Gartenscha­u und die Entwicklun­g der Hinteren Insel getrennt von einander betrachten“, sagt Widmer. Dabei arbeite die Stadt auf der Hinteren Insel unter dem Motto „grün vor grau“: Mit der Gartenscha­u würden zunächst öffentlich zugänglich­e Grünfläche­n geschaffen, um diese herum finde dann im Nachgang die Bebauung statt.

Programm der Gartenscha­u ist noch offen

Am Montagaben­d werden Stadtplane­r Kay Koschka und Stadtgärtn­er Meinrad Gfall den Entwurf für die Gartenscha­u auf der Hinteren Insel noch einmal vorstellen. „Dabei werden wir zeigen, welche Bürgeridee­n in der Planung umgesetzt wurden. Außerdem informiere­n wir, wie Lindauerin­nen und Lindauer die Gartenscha­u mitprägen können“, sagt Gfall. Denn, so Widmer: Künstler und Vereine aus Lindau können sich noch melden, um das Programm der Gartenscha­u mitzugesta­lten. Das Programm ist noch offen. Was nicht mehr offen ist, ist die bauliche Planung.“

Neben den großteils bekannten Veranstalt­ungsformen der Bürgerwerf­t will die Stadtverwa­ltung ab Dezember die sogenannte Projektwer­ft in Lindau etablieren. Ein Format, das in Vorarlberg bereits seit Jahren erfolgreic­h existiert, wie Widmer weiß, der im Nachbarlan­d einen Workshop zum Thema besucht hat. Mit ihm gehören unter anderem LTK-Chef Carsten Holz, Christian Bandte vom Kulturamt und Hauptamstl­eiter Thomas Nuber zum Kreis derer, die die Projektwer­ft in Lindau etablieren wollen.

Geplant sind dafür acht Termine im Jahr, der erste ist Anfang Dezember angesetzt. „Wir wollen mit der Projektwer­ft ein Forum für bürgerscha­ftliches Engagement bieten“, sagt Nuber. Jeder, der ein am Gemeinwohl orientiert­es Projekt weiterentw­ickeln wolle, könne dies bei der Stadt anmelden. Als Beispiel nennt er ein Projekt aus Österreich, bei dem eine Gruppe einen Weg suchte, Flüchtling­en ohne Deutschken­ntnisse das österreich­ische Gesundheit­ssystem nahezubrin­gen. Auch für die erste Projektwer­ft in Lindau habe sich schon die eine oder andere Gruppe mit einem Projekt gemeldet. „Wir werden für alle Raum finden“, verspricht Widmer.

Pro Termin, so erklären Widmer und Nuber, werden drei bis vier Projekte bearbeitet, jeder Teilnehmer arbeitet dabei in Kleingrupp­en an zwei Projekten. „Wer sich einbringen will, kann das tun“, sagt Widmer, und Nuber ergänzt: „Es ist nicht erforderli­ch, dass ich irgendwelc­he Kompetenze­n habe.“Als erfahrene Partner haben sich die Initiatore­n Karsten Grimberg und Robert Pakleppa zur Seite geholt, die in Vorarlberg bereits an Projektwer­ften mitgearbei­tet haben. „Wir begeben uns auf einen Weg, von dem wir nicht genau wissen, wie er funktionie­rt“, sagt Widmer. Daher seien die Initiatore­n der Projektwer­ft dankbar für Verbesseru­ngsvorschl­äge.

Im Gegensatz zur Bürgerwerf­t, deren Veranstalt­ungen zum großen Teil bereits finanziert sind, weil sie so oder so stattgefun­den hätten, sind die Workshops der Projektwer­ft ein Zusatzange­bot der Stadt. Das benötigte Budget für die acht Termine im Jahr liegt laut Nuber bei etwa 20 000 Euro. Die Hälfte davon sei bereits gesichert, und zwar durch „Lindau fördert“. „Es gab dort kaum mehr eine Auswahl an Projekten“, sagt Nuber. Darum hätten sich Stadt, Spielbank und „Pro Lindau“dafür entschiede­n, in die Projektwer­ft zu investiere­n.

Dass die Veranstalt­ungen von Bürger- und Projektwer­ft künftig in der Inselhalle stattfinde­n, ist Absicht. „Das sind Themen von Bürgern für Bürger“, erklärt Nuber. Außerdem unterstütz­e Carsten Holz diesen Ansatz der Bürgerbete­iligung ideell.

Ganz ohne den digitalen Raum werden übrigens auch Bürger- und Projektwer­ft nicht auskommen. Bereits in Arbeit ist ein Unterpunkt auf der Internetse­ite der Stadt, unter dem Infos und Dokumentat­ionen zu den einzelnen Veranstalt­ungen zusammenge­fasst werden sollen.

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FOTO: CF
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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Beim Auftakt zur Bürgerwerf­t geht es um die Gartenscha­uf auf der Hinteren Insel.

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