Bandengeschichten von damals
Räuber Fidelis Sohm aus Witzigmänn-Bösenreutin kam vor 200 Jahren in Lindau in Haft
LINDAU - Inzwischen sind es 200 Jahre, dass in der Region BodenseeOberschwaben samt württembergischem Allgäu in den Jahren 1818 und 1819 nacheinander drei Räuberbanden große Aufmerksamkeit erregten: die Bande des „Alten Bregenzer Seppl“, danach jene des „Schwarzen Veri“und nach dessen Verhaftung die des „Schleifers Tone“. In allen dreien dieser damals prominenten ländlichen Räuberbanden war auch der in Witzigmänn bei Bösenreutin geborene und aufgewachsene Fidelis Sohm, der „Einäugige Fidelis“, aktiv.
Fidelis Sohm, der „Einäugige Fidelis“aus Witzigmänn war eines von fünf Kindern seiner armen Tagelöhner-Eltern. Er wurde 1787 geboren und musste vom sechsten bis zum vierzehnten Lebensjahr jeweils im Sommerhalbjahr in der Region Vieh hüten, um derart schon früh zum immer kargen Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Schulen sah er nur im Winter von innen. Als gelernter Maurer arbeitete er später auch als Zimmermann und verlor in der Krisenund Hungerzeit ab 1817 seine Arbeit. Damals erblindete auch sein rechtes Auge an einem Staphylom, was ihm neben großen Schwierigkeiten im Handwerk auch den Kosenamen „Einäugiger Fidelis“bescherte.
Im Stehlen nicht geübt
Inzwischen auf Bettel und Mundraub angewiesen, schloss er sich im Sommer 1818 dem Räubersohn Joseph Lang aus Nenzing in Vorarlberg an, dem „Jungen Bregenzer Seppl“. Gemeinsam besuchten sie unter anderem den Markt in Lindau . Doch sie waren im Stehlen von Markttischen und aus Geldbörsen noch nicht sonderlich geübt. Deshalb wurden sie nach einem gescheiterten Diebstahl in das Lindauer „Arbeitshaus“hinter der Peterskirche eingesperrt, heute am Unteren Schrannenplatz Nr. 1. Allerdings waren beide sportlich und handwerklich geschickte Ausbrecher und konnten bereits in der ersten Nacht aus dem nicht sonderlich massiv verriegelten Arrestzimmer wieder entkommen.
Gemeinsam mit zwei Freundinnen, die in den Gerichtsakten als „Concubinen“bezeichnete „Kemptener Crescenz“, gelegentlich auch „Salznase“genannt, sowie die als „Siebers Resel“gerufene Theresia Gebhard, flohen sie zum Betteln zunächst nach Tirol. Doch der früh von den dortigen Bergen herab drängende Winter und die großen herbstlichen Jahrmärkte zwischen Bodensee und Donau lockten sie wieder zurück. An Weihnachten 1818 schlossen sie sich bei Bad Wurzach der Räuberbande des aus Vorkloster bei Bregenz stammenden Vaters des jungen „Bregenzer Seppl“, dem „Alten Bregenzer Seppl“, an.
Nach zwei erfolglosen Einbrüchen aber zerfiel die achtköpfige Bande innerhalb weniger Wochen wieder. Fidelis trennte sich davon und verbrachte den Winter mit Betteln in Oberschwaben.
Mitglied der schwarzen Veri
Mitte Februar schloss er sich bei Ostrach der Räuberbande des aus Rommelsried bei Augsburg stammenden „Schwarzen Veri“und dessen Bruder Urle an. Fidelis Räuberwaffen waren ein am unteren Ende mit Blei ausgegossener knotiger Birkenstock, ein Küchenmesser und eine kleine altmodische Pistole.
Zu den spektakulärsten Überfällen der männlichen Mitglieder der zwölfköpfigen Bande des „Schwarzen Veri“gehörte am Vormittag des Palmsonntags 1819 der Einbruch in den Bauernhof Argenhardt bei Tettnang. Fidelis kannte diesen, weil er im Jahr zuvor auf Arbeitssuche auch dort abgewiesen worden war. Reichlich Kleidung, Lebensmittel sowie drei Taler und zwei Gulden waren die Beute. Die allein auf dem Hof befindliche Bäuerin, die anderen Familienmitglieder besuchten derweil den Gottesdienst in Tettnang, wurde von der Bande derart aggressiv nach verstecktem Geld ausgefragt, dass sie nach drei Monaten an Schwermut starb.
Lebenslange Haft
Bei der Aufteilung der Beute wurden Pläne geschmiedet, sich nach einem letzten großen Einbruch zusammen nach Frankreich abzusetzen, um dort ein besseres Leben als Handwerker zu beginnen. Doch Veri und das Bandenmitglied Friedrich Klump wurden bereits 14 Tage später im Wald von einer Forststreife festgenommen. Die Bande löste sich auf.
Im Mai 1819 schloss sich Fidelis der neu gegründeten Bande des Scherenschleifers Anton Rosenberger an. Diese raubte im Oberschwäbischen zunächst erfolgreich Bauernhöfe und Handwerksbetriebe nach Lebensmitteln, Schmuck, Geld und Kleidung aus. Der „Schleiferstone“gab sogar einer der zuvor ausgeraubten Töchter der Schreinerwitwe Schleis in Oberschwarzach einen Teil ihrer Mitgift wieder zurück. Doch am 29. Mai wurden der einäugige Fidelis und der Großteil der Bande beim „Storchenhaus“im Mochenwangener Wald von einer Ravensburger Polizeistreife verhaftet.
In Biberach inhaftiert, wurde Fidelis Sohm 1824 in der gerichtlichen Revisionsinstanz endgültig zu lebenslänglicher Haft in das zu einem Gefängnis umgebaute ehemalige Frauenkloster Gotteszell bei Schwäbisch Gmünd verurteilt. Sein Todestag ist nicht mehr bekannt, da die entsprechenden Justizakten lückenhaft sind. Die letzten Informationen über ihn stammen vom Jahre 1824 aus der Haftanstalt Hohenasperg bei Stuttgart, in welcher er damals nur zu leichten Sträflingsarbeiten herangezogen werden konnte, da sein zweites Auge inzwischen ebenfalls zu erblinden begann.
Die Schwarzveri-Gruppe der Biberacher Schützenfestdirektion bereitet für das Schwarzveri-Fest am „Schützendonnerstags-Umzug“des Biberacher Schützenfestes im Juli 2019 eine Jubiläumsbroschüre zu den Räuberbanden vor.