Lindauer Zeitung

Wie Parken seinen Schrecken verliert

Elektronis­che Assistente­n übernehmen immer häufiger das Rangieren – teilweise sogar ohne Fahrer im Auto

- Von Thomas Geiger

STUTTGART/MÜNCHEN (dpa) Beim Einparken fährt die Angst, an einem anderen Auto entlang zu schrammen oder anzuecken, bei vielen mit – zumindest bei jenen, die keinen Parkassist­enten in ihrem Wagen haben. Solche Systeme, die es inzwischen selbst in Kleinwagen gibt, machen das Rangieren zum Kinderspie­l und nehmen dem Parken seinen Schrecken. Und das ist erst der Anfang: Schon jetzt legen viele Oberklasse-Autos die letzten Meter fahrerlos zurück. Und geht es nach den Hersteller­n, fahren die Autos bald komplett allein zum Stellplatz – automatisi­ertes Valet-Parken also.

Bild vom Bordcomput­er

Waren es anfangs die piependen und blinkenden Radar- und Infrarotse­nsoren in den Stoßfänger­n, sind mittlerwei­le Kameras die wirkungsvo­llste und gebräuchli­chste Hilfe. Nach hinten schauen sie schon in der Kleinwagen­klasse, teurere Fahrzeuge haben oft auch vorne eine Kamera, und bei immer mehr Modellen werden so auch die Seiten überwacht. Der Bordcomput­er komponiert daraus ein Bild, das den Wagen aus der Vogelpersp­ektive zeigt, erklärt Alexander Sellei von Nissan. Bei dem japanische­n Hersteller ging ein solches System namens Birdview schon früh in Serie.

Immer öfter übernehmen das Rangieren aber mittlerwei­le elektronis­che Einparkhil­fen: Egal ob längs oder quer zur Fahrbahn, erkennen Fahrzeuge wie der VW Tiguan nach Angaben von Volkswagen-Sprecher Christian Buhlmann eine freie Lücke. Einmal ausgewählt, muss der Fahrer nur noch Gas geben und bremsen, während die Elektronik lenkt.

Fahrer bleibt verantwort­lich

Im neuen Nissan Leaf beispielsw­eise wird dem Menschen selbst diese Aufgabe noch abgenommen, sagt Sellei: Dort reduziert sich die Aufgabe des Fahrers auf das Drücken eines Knopfes, mit dem man das System überwacht und die Verantwort­ung übernimmt.

Noch weiter geht BMW bei seinen neuen Modellen. Sie merken sich automatisc­h die letzten 50 bis 100 Meter ihrer Fahrt und können diese auf Knopfdruck bei mäßigem Tempo in umgekehrte­r Reihenfolg­e abspulen, so BMW-Entwicklun­gsvorstand Klaus Fröhlich. Wer sich also mit Autos wie dem X5 oder dem 8er zum Beispiel in einem engen Parkhaus in die Zwickmühle bringt, wird so automatisc­h wieder befreit.

In der Oberklasse muss man beim Parken nicht einmal mehr im Fahrzeug sitzen: Autos wie der Audi A8 beispielsw­eise kommen in eine enge Garage, wenn der Fahrer draußen steht und den Vorgang nur noch am Handy überwacht, erläutert AudiSprech­er Josef Schloßmach­er.

Was aktuell nur auf eine Distanz von wenigen Metern und ohne große Lenkbewegu­ngen funktionie­rt, soll künftig so komfortabe­l werden wie Valet-Parken, erläutert Volvo-Sprecher Michael Schweitzer. Dafür arbeitet der Hersteller an einem System, bei dem man seinen Wagen an der Einfahrt zum Parkhaus oder zur Tiefgarage in einer Übergabezo­ne abstellt und einfach aussteigt. „Während die Insassen dann schon auf dem Weg zum Abendessen sind, rangiert der Autopilot den Wagen auf einen freien Parkplatz und stellt ihn später wieder bereit, wenn das Essen vorbei ist und der Wagen über das Smartphone angeforder­t wird“, beschreibt Schweitzer die Pläne der Entwickler.

Pilotproje­kt in Stuttgart

Noch ist automatisi­ertes Valet-Parken Zukunftsmu­sik. Pilotproje­kte gibt es aber schon, etwa am Flughafen Hamburg vom VW-Konzern oder im Parkhaus des Mercedes-Museums in Stuttgart von Bosch und Daimler. Und der Zulieferer Continenta­l hat die Serienreif­e für so ein System bis zum Jahr 2022 angekündig­t. Sie alle wollen damit nicht nur den Komfort für die Fahrer erhöhen, sondern verspreche­n auch einen Gewinn für die Städte – weil autonom geparkte Autos enger zusammenrü­cken und insgesamt weniger Platz beanspruch­en.

Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigenorga­nisation KÜS hält automatisi­ertes Parken für viel greifbarer als den Autopilote­n für den Stadtverke­hr: „Das automatisi­erte Valet-Parken könnte deutlich schneller kommen, weil man sich dort technisch wie juristisch in einem einfachere­n Rahmen bewegt“, sagt der Experte. Geparkt werde in der Regel auf privatem Gelände, wo die Straßenver­kehrsordnu­ng allenfalls eingeschrä­nkt gelte, der Geschwindi­gkeitsbere­ich sei niedrig, die Strecken könnten genau erfasst werden, und mögliche Begegnunge­n mit anderen Fahrzeugen oder Fußgängern seien stark reduziert – erst recht, wenn ganze Parkhauseb­enen oder Tiefgarage­n fürs Roboterpar­ken reserviert wären.

 ??  ?? Dank Smartphone-App fährt der Wagen beim Valet-Parken allein zu seinem Platz.
Dank Smartphone-App fährt der Wagen beim Valet-Parken allein zu seinem Platz.
 ?? FOTOS: DPA ?? Viele moderne Autos erkennen freie Lücken, helfen beim Einparken oder machen das zum Teil schon komplett selbsttäti­g.
FOTOS: DPA Viele moderne Autos erkennen freie Lücken, helfen beim Einparken oder machen das zum Teil schon komplett selbsttäti­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany