Energie aus Kleinwasserkraftwerken selten nutzbar
Zwei Studentinnen haben sich in ihrer Bachelor-Arbeit mit 123 alten Standorten beschäftigt
KREIS LINDAU - Es klappert die Mühle am rauschenden Bach... Dieses alte Volkslied ist im Landkreis Lindau weitgehend Vergangenheit. Denn von den ehemals 123 kleinen Wasserkraftwerken sind nur noch wenige in Betrieb. Im Rahmen eines Leader-Projektes hat der Kreis untersuchen lassen, wie viel Potenzial an Wasserkraft es kreisweit gibt. Denn „ökologisch ist das durchaus sinnvoll“, sagt Referent Josef Dennenmoser zu den Kreisräten. So führt die Wasserkraft nach seinen Worten unter anderem zu vermehrter Grundwasserbildung, was nicht nur Dennenmoser angesichts des Klimawandels für wichtig hält.
Katrin Bartsch und Isabella Rank sind während der Sommermonate viel im Landkreis Lindau unterwegs gewesen: Im Rahmen ihrer Bachelorarbeiten haben die beiden Studentinnen sich auf die Suche nach jenen Orten gemacht, an denen Wasserkraft einst genutzt worden ist. Entlang von Nonnenbach und Oberreitnauer Ach, Leiblach, Argen und Rotach sowie im benachbarten Oberstaufen (das ebenfalls zum Einzugsbereich dieses Leader-Projekts gehört) haben die jungen Frauen dokumentiert, was an Anlagen noch in Betrieb ist, wo eine Reaktivierung der Wasserkraftnutzung denkbar wäre und wo nur noch eine historische Aufarbeitung möglich ist. Dennenmoser hat diese Übersicht im Energie- und Umweltausschuss vorgestellt.
Geld und Bürokratie schrecken vor dem Vorhaben ab
So warf er unter anderem einen Blick auf die Martinsmühle bei Bechtersweiler: Rund 100 Jahre lang hat sie Strom erzeugt, elf Kilowatt Leistung könnte die Turbine theoretisch erbringen, schilderte Dennenmoser. Doch sie steht seit einigen Jahren still. Dort wie auch an Bächen und Flüssen im Landkreis müssten die Eigentümer erst viel Geld investieren, bevor die Kleinwasserkraftwerke wieder Energie erzeugen. Auf die Frage von Kreisrätin Angela Feßler, ob es dafür staatliche Zuschüsse gebe, schüttelte Dennenmoser allerdings den Kopf: „Das schaut schlecht aus.“Und beim Sanieren einer solchen alten Anlage müsse man schon mit rund 10 000 Euro pro Kilowatt Leistung rechnen.
Doch nicht allein das Geld bilde eine Hürde. Der Wasserkraftexperte schilderte ein Beispiel aus dem Westallgäu: Dort hätten die Besitzer durchaus Interesse, den per Wasserkraft neben dem Anwesen erzeugten Strom selbst zu nutzen. „Doch sie fürchten die Bürokratie“, um die Anlage wieder in Gang setzen zu dürfen, hat sich Dennenmoser sagen lassen. Denn da müssten Wasserrechte, Naturschutz und Denkmalschutz geklärt werden.
Oftmals würden etwa Fischumgehungen gefordert. Feßlers Einwand, dass es doch früher keine Fischtreppen gegeben habe, bezeichnete Dennenmoser als „berechtigt“. Der Mann, um dessen eigenes Haus nördlich von Wangen drei Bäche herumfließen, hält „Fische nicht für so dumm, wie manche meinen“: Er habe Forellen schon drei Meter hoch springen sehen, um Hindernisse im Flusslauf überwinden zu können.
Nach Ansicht von Kreisrat Bruno Bernhard müsse der Kreis interessierten Bürgern zeigen, dass er der Wasserkraft wohlwollend gegenüber stehe. „Und es muss behördlicherseits die Bereitschaft da sein, das zu unterstützen“, ist für Bernhard wichtig. Das sieht Landrat Elmar Stegmann beides durchaus gegeben. Aber die Verwaltung müsse auch immer bei jeder Anlage schauen, was dort genehmigungsfähig sei.
Klimawandel macht Wasserkraft zum wichtigen Faktor
Rund ein Dutzend ehemalige kleine Wasserkraftwerke im Kreis Lindau sind nach Ansicht von Dennenmoser und der beiden Studentinnen reaktivierbar. So könnte die Knochenmühle bei Hergensweiler mit zehn Metern Fallhöhe immerhin fast 40 Kilowatt Leistung erzeugen, jene Anlage an der Rohrachschlucht bei 200 Metern Fallhöhe sogar bis zu 280 Kilowatt. Auch wenn Minikraftwerke wie die Botzenmühle bei Weißensberg oder die Immenmühle in Niederstaufen nur noch historisch aufgearbeitet werden könnten: Klimaschutzmanager Steffen Riedel betrachtet das Wasserkraftpotenzial im Kreisgebiet für bemerkenswert. Bis zu 1,2 Megawatt Leistung wären so möglich. Um die gleiche Menge an Strom durch Photovoltaik erzeugen zu können, müsste nach Riedels Worten eine Fläche von rund sechs Fußballfeldern mit PV-Paneelen zugebaut werden.
Dennenmoser hält die Wasserkraft angesichts des Klimawandels für wichtiger denn je: Wenn die Sommer heißer werden mit weniger Regen, dann werde das Zurückhalten des Wassers umso wichtiger: „Dies tut die Wasserkraft durch Anstauen, Oberwasserkanäle und Weiherwirtschaft.“Das führe auch zu vermehrter Grundwasserbildung und höheren Grundwasserständen, ist der Wasserkraftexperte überzeugt. Riedel ist unterdessen bewusst: Die Wasserkraft im Landkreis Lindau wird ihr mögliches Potenzial so schnell nicht erreichen.