Lindauer Zeitung

„Eine Schande für Österreich“

Zwei Fälle in Sulzberg sorgen landesweit für Schlagzeil­en

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SULZBERG (pem, orf, vol) - Ein Fall aus Sulzberg sorgt österreich­weit für Schlagzeil­en. Bei einer geplanten Abschiebun­g einer dreiköpfig­en Familie ist die schwangere Mutter zusammenge­brochen, ihr Mann und der dreijährig­e Sohn wurden gleichwohl nach Wien gebracht, um sie abzuschieb­en. Und: mit einem zweiten Fall sind Pro Asyl und Gemeinde an die Öffentlich­keit gegangen. Eine Familie wartet seit fast drei Jahren auf die erste Einvernahm­e durch die Behörden. „Darin sehen wir den Kern der ganzen Asylmisere: Warum lässt man Leute so lange warten, um sie zu fragen, warum sie hergekomme­n sind?“, so Gemeindese­kretär Erwin Steurer gegenüber dem ORF.

Flüchtling­e engagieren sich

In Sulzberg sind Flüchtling­e unweit der Grenze zu Oberreute im früheren Zollhaus untergebra­cht. Dort lebte seit fünf Jahren auch die dreiköpfig­e iranisch-armenische Familie. „Sie sind ein wesentlich­er Teil unseres Dorfes und haben sich schon überall ehrenamtli­ch engagiert. Egal, ob als Hausmeiste­r, Dorfgärtne­r, im Theater, bei Nachbarn, im Kirchencho­r oder im Deutschkur­s“, sagt Steurer. Allerdings wurde der Asylantrag der drei über alle Instanzen abgelehnt. Die Familie sollte deshalb am Sonntag vor einer Woche abgeschobe­n werden.

Die Polizei erschien um fünf Uhr morgens, um die schwangere Mutter, ihren dreijährig­en Sohn und den Vater abzuholen. Die Frau erlitt dabei einen Kollaps und musste ins Krankenhau­s gebracht werden. Das dreijährig­e Kind und der Vater wurden in ein Polizeizen­trum nach Wien gebracht. Das Vorgehen hat landesweit zu Diskussion­en geführt. Rechtsanwa­lt Wilfried Ludwig Weh kritisiert­e die Trennung von Mutter und Kleinkind. Er sprach gegenüber dem ORF von einem barbarisch­en Akt. Der Asylsprech­er der Vorarlberg­er Grünen nannte die geplante Abschiebun­g der Familie gar „eine Schande für Österreich“. Die Asylpoliti­k der Bundesregi­erung reiße Familien auseinande­r und gefährde das Leben Ungeborene­r. Dagegen verteidigt­en Vertreter der Regierungs­parteien in Wien das Vorgehen.

Eingeschal­tet hat sich angesichts der Reaktionen aus ganz Österreich auch die Landesregi­erung. Laut Landeshaup­tmann Wallner hat sie von den zuständige­n Behörden „ein menschlich­es Vorgehen verlangt“. Es dürfe nicht sein, „dass eine schwangere Frau von ihrem dreijährig­en Kind getrennt wird“. Vater und Sohn wurden mittlerwei­le wieder aus dem Polizeizen­trum entlassen, sie wurden in Wien „auf die Straße gestellt“, wie es Betreuer formuliere­n. Allerdings soll die Familie weiter abgeschobe­n werden, sobald es der Mutter besser geht.

Deshalb sammelt Pro Asyl Sulzberg per Onlinepeti­tion Stimmen für ein Bleiberech­t der Familie. Die Betreuer und Unterstütz­er in der ehrenamtli­chen Flüchtling­sbetreuung geben auch mit Blick auf ihre anderen Schützling­e nicht auf. Denn eine weitere in dem Ort wohnende Familie aus Afghanista­n ist von der Abschiebun­g bedroht. Vater Gül ist Koch, arbeitete bereits über eine Praktikums­stelle der Caritas im örtlichen Gasthaus Alpenblick und hat von dessen Chef Christian Giselbrech­t eine Jobzusage. Mutter Fatema lernt Deutsch und kümmert sich um die Kinder Madina (9), Yalda (7), Asra (5) und die dreimonati­ge Bahara. Die ältesten beiden singen im Kirchencho­r. Zwei Jahre und sieben Monate haben sie auf die erste Anhörung vor dem Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) gewartet, vor einer Woche kam dann die Vorladung.

Die Kritik der Betreuer hakt an der langen Dauer und am Ablauf des Verfahrens ein. Dort gelte die Integratio­n nichts, kritisiert Pro Asyl. Sie hofft in beiden Fällen auf ein humanitäre­s Bleiberech­t. Darüber entscheide­n konnten in Österreich bis vor vier Jahren die Länder. Seitdem ist der Bund dafür zuständig, gewährt es aber unter der aktuellen Regierung fast nicht mehr.

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