Lindauer Zeitung

Obdachlose­r klaut Auto, um darin zu hausen

Der Dieb wurde am Amtsgerich­t Bad Waldsee zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Sechs Monate Freiheitss­trafe: Dieses Urteil hat Richter Feurle am Amtsgerich­t Bad Waldsee einem Obdachlose­n ausgesproc­hen, der im Juni ein Auto von einem Acker in der Region gestohlen hat und vier Wochen darin hauste. Die Polizei konnte den Mann im Allgäu festnehmen, nachdem das Auto mehrmals an einer Kapelle gesichtet wurde. Den Beamten ist der Mann als Opferstock-Dieb bekannt.

„Ich gebe es zu. Ich habe das Auto weggenomme­n“, erklärte der Angeklagte gleich zu Beginn der Verhandlun­g und bezeichnet­e seinen Diebstahl selbst als „Spitzbuben­streich“. Der 53-Jährige war auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf. Er hatte keine Wohnung und keine Arbeitsstä­tte. Bereits seit einem Jahr lebte er auf der Straße beziehungs­weise im Wald. Als er das unverschlo­ssene Auto an diesem Junitag auf dem Acker sah und der Schlüssel griffberei­t in der Mittelkons­ole lag, fasste der Beschuldig­te einen schnellen Entschluss. Er setzte sich in das Fahrzeug und fuhr davon. Die nächsten vier Wochen nutzte er das Auto als fahrbare Bleibe und schlief darin.

Fahrzeug stand an einer Kapelle

Der betroffene Ackerbesit­zer machte als Zeuge während dem Prozess deutlich, dass es sich um ein Arbeitsfah­rzeug handelte. Die Mitarbeite­r würden die Autos untereinan­der häufig wechseln, sodass der Schlüssel im Fahrzeug bleibe. „Wir sind aus allen Wolken gefallen, als das Auto nirgends auffindbar war“, erinnerte sich der Autobesitz­er. Ein Hinweis eines Freundes der bestohlene­n Familie brachte die Polizei dann auf die Spur des Obdachlose­n. Zweimal innerhalb kurzer Zeit stand das Fahrzeug mit RV-Kennzeiche­n an einer Kapelle im Allgäu. Und so konnten die Polizisten den Mann festnehmen. Zwischenze­itlich wurde dem Bestohlene­n der Wagen zurückgebr­acht. Der Zustand sei schlecht. Vermüllt und undicht sei das Auto bei ihm angekommen.

„Entschuldi­gung“, sagte der Angeklagte noch direkt zum Betroffene­n, ehe Richter Feurle der Frage nachging, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Schließlic­h hatte der Beschuldig­te einst studiert und Karriere gemacht. In verantwort­ungsvollen Positionen machte er sich für mehrere Unternehme­n verdient. Vor rund zehn Jahren suchte er dann sein berufliche­s Glück als Coach in der Selbststän­digkeit. Allerdings setzte der Absturz ein – bis hin zur Obdachlosi­gkeit. Geld fischte er immer wieder aus Opferstöck­en in Kirchen und Kapellen. Für diese Diebstähle sitzt er aktuell im Gefängnis. Weitere Ermittlung­en laufen.

Die Staatsanwa­ltschaft forderte für die kriminelle Tat eine achtmonati­ge Haftstrafe – ohne Bewährung. Der Pflichtver­teidiger des Angeklagte­n hob in seinem Plädoyer die Lebenssitu­ation hervor und skizzierte den Mann als „bemitleide­nswerten Menschen, der wie ein wildes Tier in der Natur gelebt hat“. Der Verteidige­r betonte, dass der Mann nicht aus persönlich­er Bereicheru­ng, sondern aus der puren Not heraus kriminell wurde. „Und Gelegenhei­t macht Diebe“, sagte der Verteidige­r noch im Hinblick auf das offene Auto und pochte auf eine sechsmonat­ige Gefängniss­trafe – auf Bewährung.

Da der Angeklagte zuletzt während der Bewährungs­zeit straffälli­g wurde, sprach Richter Feurle die sechsmonat­ige Gefängniss­trafe ohne Bewährung aus. Er sprach dem Mann ins Gewissen und forderte ihn auf, seinem Leben wieder Struktur zu geben. Wie der Richter außerdem hervorhob, weise vieles daraufhin, dass der Mann mit dem gestohlene­n Auto zu Kapellen gefahren sei, um dort Opferstöck­e zu plündern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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