Lindauer Zeitung

Der neue Bahnhof ist den Lindauern zu eng

Bahn wehrt sich gegen längere Bahnsteige, größere Dächer und breitere Wege und Treppen

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Ob der neue Bahnhof in Reutin ausreichen­d groß oder von Anfang an viel zu klein geplant ist, das ist zwischen Bahn-Managern sowie Kritikern sehr umstritten. Bei der Erörterung der Pläne für das ZweiBahnho­fs-Konzept wurden die Unterschie­de sehr deutlich.

„Wie man einen neuen Bahnhof so eng bauen kann – darüber müsst Ihr mal nachdenken!“, rief Lindaus genervter Stadtbaudi­rektor Georg Speth den Bahnern irgendwann im Laufe der Diskussion zu und fasste damit die Stimmung der Kritiker zusammen. Doch Michael Katz, der für die Bahn AG die Bauprojekt­e in Lindau leitet, ließ sich davon nicht beeindruck­en. Er wies auf staatliche und interne Vorgaben hin, die mehr nicht zulassen. Immerhin müsse alles im Kostenrahm­en von 15 Millionen Euro bleiben. Wenn Lindau mehr wolle, müsste die Stadt das selbst bezahlen. Speth wies im Gegenzug darauf hin, dass Lindau sich mit 3,1 Millionen Euro am Bau des neuen Bahnhofs beteiligen wird und deshalb erwartet, dass dort mehr als der Mindeststa­ndard gebaut wird.

Dabei fangen die Unterschie­de schon bei der Zahl der zu erwartende­n Fahrgäste an. Die Bahner planen in Reutin mit gut 5000 Menschen, die dort täglich ein- oder aussteigen. Die Lindauer verweisen auf den schon heute florierend­en Bahnknoten Lindau und darauf, dass noch mehr Menschen mit dem Zug fahren werden, wenn die neuen Wohnsiedlu­ngen im Umfeld des Bahnhofs fertig sind.

Einig waren sich Speth für die Stadt sowie die Vertreter von Pro Bahn, Bodensee-S-Bahn, Arbeitskre­is Verkehr und Aktionsgem­einschaft Inselbahnh­of, dass die Gleise für Fernzüge 400 Meter lang sein müssen. Das ist die europäisch­e Norm. Die Länge sei auch nötig, wenn die modernen Schweizer Züge auf der Strecke München-Zürich vor Weihnachte­n oder zum Oktoberfes­t doppelt so lang fahren wie normal. Das hätten Vertreter der Schweizer Bahnen ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen, erwiderte Katz den kopfschütt­elnden Kritikern. In Deutschlan­d gelte die europäisch­e Norm nicht, der Bund fördere nur den Bau von 360 Meter langen Bahnsteige­n. Und wenn in Ausnahmefä­llen doch ein längerer Zug in Reutin halten werde, dann sei es zumutbar, dass Fahrgäste aus entspreche­nden Waggons im Wagen davor ein- und aussteigen.

Ähnlich lief die Debatte, als die Kritiker längere Dächer forderten, damit Fahrgäste nicht im Regen stehen, wenn sie ein- oder aussteigen wollen. Da verwies Katz auf interne Regeln, die für einen Bahnhof wie in Reutin nur ein bestimmte Dachfläche vorsehe. Man könne über die Verteilung diskutiere­n, aber nicht über die Zahl an sich. Dass Lindau als besonders regenreich­es Gebiet gilt, wo es mehr Starkregen gibt als anderswo, zähle da nicht.

Die Bahn will nur Aufzüge oder eine Rampe bauen

Heftige Kritik gibt es an der Tatsache, dass die Bahn für Barrierefr­eiheit zusätzlich zu Treppen nur entweder Aufzüge oder Rampen bauen will. Die Bahner räumten ein, dass Aufzüge oft kaputtgehe­n, das ändere aber nichts daran, dass ein Bahnhof nach den Regeln der Bahn AG als barrierefr­ei gilt, auch wenn Aufzüge manchmal einige Wochen lag defekt sind. In diesem Fall seien die Betroffene­n auf Selbsthilf­e angewiesen. „Ein Fahrgast kann auch eine Treppe hochgetrag­en werden“– dieser Satz eines Planers der Bahn löste heftige Empörung nicht nur bei Lindaus Behinderte­nbeauftrag­tem Anton Ziegler aus.

Für Gehbehinde­rte, Rollstuhlf­ahrer, Eltern mit Kinderwage­n oder Fahrradfah­rer sei die Treppe, deren 42 Stufen sechs Meter überwinden, eben nicht zumutbar. Die Bahner lehnten aber den Bau von Aufzug und Rampe ab. Und die Wahl falle in Lindau auf den Aufzug, weil der billiger zu errichten sei als eine Rampe. Die Kritiker wollen eigentlich beides, im Zweifelsfa­ll aber lieber eine behinderte­ngerechte Rampe, die nicht ausfällt.

Sollten doch Aufzüge kommen, sollten die zudem größer sein als die bisher geplanten, in denen jeweils nur ein Rollstuhl- oder Fahrradfah­rer Platz hat. Angesichts von Zügen, die mehr als 30 Radler nach Lindau bringen, erscheint das den Kritikern als viel zu klein.

Auch die Treppen, der Übergang über den Gleisen und der Platz vor Treppen und Liften seien zu eng. Dort würden die Menschen im Stau stehen, wenn volle Züge ankommen. Das gilt auch für die Bahnsteige, vor allem der Bahnsteig für die Fernzüge sei an manchen Stellen zu eng. Die Bahn müsse dort zumindest eine Erweiterun­g planen, wenn das alte Bahnhofsge­bäude in Reutin abgerissen werde.

Dass die Bahn kein neues Gebäude plant und dass deshalb beim neuen Bahnhof bisher keine WCs vorgesehen sind, das bedauert nicht nur der Behinderte­nbeauftrag­te. Aber auch daran wollen die Bahner nichts ändern. Ein Bahnhofsge­bäude ist aus ihrer Sicht nicht Sache der Bahn, sondern Sache eines privaten Investors.

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FOTO: DIK Der Plan zeigt den neuen Bahnhof in Reutin mit einem Bahnsteig zur Bregenzer Straße hin und zwei Bahnsteige­n in der Mitte. Kritiker fordern längere Bahnsteige und mehr Überdachun­g sowie breitere Zugangsweg­e und Treppen.

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