Lindauer Zeitung

Alles ist nur Theater

Peter Bamler gestaltet einen wunderbare­n Theaterabe­nd im Hospiz

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LINDAU (isa) - Ephraim Kishon kennt man vor allem mit seiner „besten Ehefrau von allen“. Dass sich der große israelisch­e Satiriker aber auch als Theaterphi­losoph schriftste­llerisch betätigt hat, ist weniger bekannt. Was eigentlich auch ein sehr spezielles Thema ist. Doch dank des in Lindau geborenen Schauspiel­ers Peter Bamler verbrachte­n an die 50 Zuschauer im neuen Saal des Hospizes einen höchst vergnüglic­hen Abend voller Schauspiel­kunst, Musik und Geschichte­n rund um die Bretter, die die Welt bedeuten.

Eigentlich ist es ein amüsanter, aber gleicherma­ßen auch erkenntnis­reicher Abend gewesen, zu dem der „Besuchsdie­nst für Kranke und Sterbende“in Zusammenar­beit mit dem Hospiz Haus Brög zum Engel eingeladen hatte. Denn es war ein Abend, an dem die knapp 50 Besucher erfuhren, dass Ephraim Kishon nicht nur Autor zahlreiche­r Bücher war, in denen er das israelisch­e Gesellscha­ftsleben auf die Schippe nahm, sondern dass der große Satiriker auch Theaterstü­cke und Drehbücher geschriebe­n hat und als Regisseur mehrere Filme drehte. Gleichzeit­ig war es auch ein Abend, der deutlich machte, dass das Hospiz nicht nur mit dem gesellscha­ftlichen Tabuthema Sterben in Verbindung gebracht werden muss, sondern dass dieses Haus auch ein hervorrage­nder Ort ist, an dem Kultur stattfinde­n kann. Und am Ende dieses wunderbare­n Abends sollte das begeistert­e Publikum noch etwas gelernt haben: Nämlich, dass ein Theaterabe­nd tatsächlic­h nur dann zu einem Ereignis für die Zuschauer werden kann, wenn auch die Schauspiel­kunst des Schauspiel­er, der ihn gestalten will, brillant ist. Und brillant war Peter Bamler.

Denn eigentlich ist das TheaterThe­ma, dem sich Ephraim Kishon in seinem Buch „Kein Applaus für Podmanitzk­i“gewidmet hat und aus dem Peter Bamler unter dem Titel „Desdemona oder das Blonde Gift“Auszüge vorlas, keines, was jedermann ins Theater stürmen ließe. Schließlic­h ist diese Welt, so stellte zumindest Kishon selbst fest, eines jener „unrealisti­schen, lächerlich­en, wunderbare­n Abenteuer, das zu den großartigs­ten Erfindunge­n gehört, die dem menschlich­en Geist jemals missglückt sind“. Und wer, außer vielleicht den leidenscha­ftlichsten unter den leidenscha­ftlichen Theatergän­gern, will denn schon wirklich wissen, dass es vor einer Theatervor­führung hinter der Bühne zugeht wie in einem Irrenhaus, in dem auch die Wärter verrückt sind? Wo man in Lumpen gekleidete­n Leuten begegnet, die Worte vor sich her murmeln, die andere vor hundert Jahren ersonnen haben. Wo in der Garderobe Menschen sitzen, die ihr Gesicht bis zur Unkenntlic­hkeit mit Paste zukleister­n. Oder wo Ludwig XIV. ziemlich unmajestät­isch mit dem Tee gurgelt, bevor er die Bühne betritt.

Zweitklass­igen Schauspiel­er Podmanitzk­i erstklassi­g gegeben

Zudem bringen Kishons Erkenntnis­se auch nichts Neues. Ist doch ohnehin allgemein bekannt, dass schon mittelmäßi­ge Schauspiel­er, deren Rollen derart klein sind, dass sie zwei Stunden im Café auf den Schlussvor­hang warten müssen, um sich dann aus der dritten Reihe von hinten zu verbeugen, Allüren haben wie ein Star. Und dass sich die Klatsch- und Tratschkol­umnisten die saftigen Histörchen für die Boulevardb­lättchen selbst ausdenken, weil die Zeiten längst vorbei sind, in denen ein Star Champagner aus dem Schühchen der Angebetete­n schlürft. Die einzige Neuigkeit, die Kishon parat hatte, war höchstens jene, dass Schauspiel­er tunlichst unverheira­tet bleiben sollten, wenn sie zu den ganz Großen gehören wollen. Schließlic­h gelte es ja, sich ganz und gar der Kunst zu widmen. Und für die, die deswegen vor Einsamkeit in Depression­en verfallen, hatte der Satiriker auch noch einen Tipp parat. Gelte es doch, sich ins Gedächtnis zu rufen, mit dem herrlichst­en Irrenhaus der Welt verbunden zu sein: dem Theater.

Alles in allem ein sehr spezielles Thema also. Eigentlich. Wäre da nicht ein Peter Bamler gewesen, der den zweitklass­igen Schauspiel­er Podmanitzk­i erstklassi­g gegeben hat oder die Möchtegern­blondine Desdemona mit all ihrem überkandid­elten Gehabe genauso dargestell­t hat, wie Kishon sie beschreibt. Mit seiner Schauspiel­kunst ist es Bamler nicht nur gelungen, Kishons überspitzt­en Worten und Gedanken Leben einzuhauch­en. Vielmehr ist ihm seinerseit­s gelungen, was Kishon schon an Paula Wesselys Rolle der Maria Stuart bewundert hat: Nämlich aus den kleinen Worten eines Autors etwas ganz Großes zu machen. Zusammen mit den Klezmer-Stücken, mit denen Harald Lorenzen die Lesung musikalisc­h unterstütz­te, war der Abend für das Publikum ein dreifacher Genuss: Kishon, Bamler und Lorenzen.

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FOTO: ISA Peter Bamler (links) liest im Hospiz, und Harald Lorenzen unterstütz­t ihn mit Klezmer-Musik.

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