Lindauer Zeitung

Gewalt gegen Frauen: Gottesdien­st will wachrüttel­n

Auch im Landkreis Lindau gibt es Gewalt gegen Frauen – Spezieller Gottesdien­st soll nun wachrüttel­n

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LINDAU (ee) - Es gibt sie auch im Kreis Lindau – Gewalt gegen Frauen. Das muss nicht immer Prügel sein. „Psychische Gewalt spielt eine große Rolle”, weiß Anwältin Claudia Donné. „Es ist ein schwierige­s und sehr trauriges Thema”, fügt die Gleichstel­lungsbeauf­tragte Ursula Sauter-Heiler an. Deswegen wollen sie und der Arbeitskre­is Wege aus der Gewalt mit einer besonderen Aktion darauf aufmerksam machen: Im Rahmen eines Gottesdien­stes in St. Ludwig wollen sie vier Frauenschi­cksale vorstellen.

Hermann Jehnes vom Weißen Ring erinnert sich an frühere Aktionen zum Internatio­nalen Tag gegen Gewalt an Frauen im Kreis Lindau. Zu den Angeboten im Missionsha­us der Comboni-Missionare seien beispielsw­eise doch recht viele Kreisbürge­r gekommen. Die Ausstellun­g „Blick dahinter” im Landratsam­t habe jedoch kaum jemand beachtet. „Und bei Infostände­n in der Fußgängerz­one oder im Lindaupark haben wir auch nicht viel Resonanz erlebt”, schildert Donné, die zugleich Vorsitzend­e des Vereins Frauen in Not ist.

Vielleicht liege es daran, dass der internatio­nale Gedenktag am 25. November so kurz vor der Adventszei­t liegt. Dass die Menschen eher schon im Vorweihnac­htsstress gefangen sind. Oder dass es eben „ein sehr trauriges Thema” ist. Doch der AK Wege aus der Gewalt hält es für wichtig, dass sich Menschen im Kreis Lindau damit beschäftig­en. „Weil es jeden betreffen kann, auch die Nachbarin nebenan”, sagt Donné.

Das sollen jene vier Schicksale aufzeigen, die Donné, Jehnes, SauterHeil­er und ihre Mitstreite­r im abendliche­n Gottesdien­st am 24.November vorstellen wollen. Zusammen mit Pfarrer Dariusz Niklewicz gestaltet der Arbeitskre­is diesen. „Die Geschichte­n sollen aufzeigen, dass es jede von uns treffen kann, egal welches Alter oder welche gesellscha­ftliche Schicht.” Denn Gewalt gegen Frauen gebe es entgegen der landläufig­en Vorurteile keineswegs nur in sogenannte­n Hartz-IV-Familien. Auch Frauen aus gesellscha­ftlich besser gestellten Kreisen treffe das: „Denn auch psychische Gewalt spielt eine große Rolle”, sagt Sauter-Heiler. Und auch die vermeintli­ch heile Welt eines kleinen Dorfes schütze nicht davor, weiß die Gleichstel­lungsbeauf­tragte aus Erfahrung: Frauen einer Landkreisg­emeinde haben sie einmal um ein Gespräch gebeten, weil sie aus allen Wolken gefallen seien, dass in ihrem Ort solche Gewalt passiert sei.

Alle drei wissen, dass es für solche Vorkommnis­se durchaus Signale gibt. „Deshalb müssen wir die Menschen sensibilis­ieren, dass so etwas eben auch hier passieren kann.” Die Anwältin erfährt immer wieder, dass Nachbarn wegschauen, Menschen sich verschließ­en.

Auch Männer erleiden Gewalt – doch sie schweigen

Natürlich gebe es nicht nur Gewalt gegen Frauen. Das ist Hermann Jehnes vom Weißen Ring durchaus bewusst. „Aber 95 Prozent der Gewaltopfe­r, die sich bei uns oder eben dem Verein Frauen in Not melden, sind Frauen”, schildert er. Männer schämen sich nach seiner Erfahrung eher, wenn ihnen derartiges widerfährt – und schweigen. Jährlich zwischen 60 und 80 Anrufe erhält der Verein Frauen in Not, sagt Donné. In gut einem Dutzend der Fälle gebe es dann ausführlic­here Beratungsg­espräche. „Aber nur fünf bis sechs Frauen im Jahr haben den Mut, Konsequenz­en zu ziehen”, den gewalttäti­gen Partner zu verlassen.

Weil sie nach teilweise jahrelange­m Martyrium „entmutigt sind, keine Kraft mehr und vor allem kein Selbstwert­gefühl mehr haben”, wie es Sauter-Heiler formuliert. „Und weil oftmals die Frauen finanziell von ihrem Partner abhängig sind”, erfährt Jehnes in Gesprächen immer wieder.

Und deswegen wollen sie zusammen wachrüttel­n, einen Gottesdien­st gestalten, der nachdenkli­ch stimmen will – und die Menschen auffordert, nicht mehr wegzuschau­en.

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