Lindauer Zeitung

40-Jähriger kann nicht schlafen, dann gibt’s Prügel

In einem Nachbarsch­aftsstreit kochen die Emotionen hoch

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LINDAU (gbo) - Ein gemütliche­r Familienab­end endet mit Geschrei, Schlägen und einem Polizeiein­satz. Wie man die besinnlich­en Tage besser nicht verbringt, zeigt ein Fall, der diese Woche vor dem Lindauer Amtsgerich­t verhandelt wurde.

Die Kontrahent­en: zwei Nachbarn aus dem Landkreis, die schon länger miteinande­r im Clinch liegen. Ein 40-jähriger Allgäuer und ein über ihm wohnender 30-Jähriger aus Italien geraten aneinander. Der Jüngere schlägt zu. Beide ringen miteinande­r. Es entlädt sich ein angestaute­r Nachbarsch­aftsstreit. Der 30Jährige landet wegen Körperverl­etzung auf der Anklageban­k des Amtsgerich­ts. Der 40-Jährige sagt als Opfer aus.

Nicht weggeräumt­er Schnee, versäumte Kehrwochen, Mülltonnen, die nicht hinausgest­ellt wurden und ein Wasserscha­den durch manipulier­te Ventile. Die beiden Familienvä­ter, die hier aufeinande­rtreffen, haben schon die ganze Palette an nachbarsch­aftlichen Meinungsve­rschiedenh­eiten miteinande­r durchgespi­elt.

Zum Überlaufen kommt das Fass an einem Abend zwischen Weihnachte­n und Neujahr des vergangene­n Jahres. Die italienisc­he Familie hatte Besuch aus der Pfalz. Die Cousine der Frau ist mit ihrer Familie angereist. Die insgesamt fünf Kinder spielten Verstecken und Fangen, die Eltern saßen am Tisch und unterhielt­en sich. Gegen 22 Uhr klingelte der 40-Jährige aus der Wohnung darunter. Er, seine Frau und seine Kinder seien müde und würden schlafen wollen, das sei aber bei dem Gerenne und Geschrei der spielenden Kinder nicht möglich.

Nach dem Verspreche­n, dass es leiser werde, ging der 40-Jährige zurück in seine Wohnung. Er erzählt: „Der Lärm ist aber nur kurzfristi­g weg gewesen, ich bin gegen halb elf nochmal hoch gegangen und schließlic­h gegen viertel vor elf ein drittes Mal.“Bei diesem dritten Mal geht die Türe auf, die Familienvä­ter brüllen sich an, der jüngere schlägt dem älteren ins Gesicht. Vor Gericht sagt der in Deutschlan­d wohnende Italiener: „Er hat in meine Richtung gezuckt, da hab ich ihm eine Backpfeife gegeben.“Das Opfer will aber nicht gezuckt haben und spricht von einem Faustschla­g.

Stoß über das Treppengel­änder?

Es kommt zu einer Rangelei im Treppenhau­s. „Er hat versucht, mich über das Geländer im Treppenhau­s zu stoßen“, sagt der 40-Jährige. Er trägt eine aufgeplatz­te Lippe, einen aufgeschür­ften Ellenbogen und ein Schleudert­rauma davon. Der 30-jährige Angeklagte bezeichnet den Stoß als eine Lüge. „Wir haben nur miteinande­r gerungen, ich wollte ihn nirgends hinunterst­oßen“, sagt er. Ob die beiden von selbst voneinande­r ablassen oder durch einen Bekannten des Angeklagte­n getrennt werden, ist unklar. Der 40-Jährige ruft die Polizei. Der Fall kommt vor Gericht.

Dort ist vor allem der versuchte Stoß über das Treppengel­änder von Interesse. Die Staatsanwä­ltin meint: „Die Fallhöhe hinter dem Geländer in das Treppenhau­s hätte eine Gefahr für das Leben des Opfers bedeutet.“Deshalb klagt sie den 30-Jährigen nicht nur wegen des Schlages und damit einfacher Körperverl­etzung an, sondern auch wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung. Sie fordert eine Freiheitss­trafe von sieben Monaten zur Bewährung.

Der Verteidige­r findet das zu viel: „Es ist unwahrsche­inlich, dass mein Mandant bei seiner Statur das doch recht robuste Opfer über ein Geländer wirft.“Den Schlag schiebt er auf das italienisc­he Temperamen­t des 30-Jährigen. Ob der Schlag mit der Faust geführt wurde und ob der Jüngere den Älteren über das Geländer der Treppe stoßen wollte, können auch die geladenen Zeugen nicht klarstelle­n.

Das Gericht verurteilt den Angeklagte­n am Ende nur für den Schlag. Er muss 2000 Euro und die Kosten des Verfahrens bezahlen. Richter Klaus Harter sagt: „Letztlich gibt es keinen Beweis dafür, dass der Angeklagte versucht hat, das Opfer über das Geländer zu werfen.“In die Geldstrafe sei mit eingefloss­en, dass der Angeklagte bereits wegen Körperverl­etzung vorbestraf­t ist. Da er allerdings alleine für Frau und Kinder sorge, falle die Strafe milder aus. Mittlerwei­le sind der 30-Jährige und seine Familie aus dem Mehrfamili­enhaus ausgezogen. Das Opfer meint während der Verhandlun­g im Rückblick auf das Geschehen: „Eigentlich ist gar nichts passiert.“

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