Per Mausklick zum Eisernen Kreuz
Einschlägig vorbestrafter Angeklagter erhält Bewährungsstrafe für Onlinehandel mit NS- Propagandamitteln
TETTNANG (kesc) - Rote Armbinden mit Hakenkreuz, Wimpel mit der Aufschrift „Zurück zum Reich“, ein Eisernes Kreuz zweiter Klasse: Ein 25-Jähriger hat einen schwunghaften Handel mit Gegenständen und Abzeichen aus der NS- Zeit betrieben. Aus rein historischem und ökonomischem Interesse, wie er am Donnerstag vor dem Amtsgericht Tettnang beteuerte. Das sah Richter Christian Pfuhl nicht ganz so und verurteilte ihn wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen in Tateinheit mit dem unerlaubten Besitz von Munition zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten – auf Bewährung.
Zudem muss der einschlägig vorbestrafte Mann 1000 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen und trägt die Kosten des Verfahrens. Die im Strafgesetzbuch aufgeführte Ausnahmeregel, die sogenannte Sozialadäquanzklausel, die besagt, dass die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole erlaubt ist, wenn die Verwendung „der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte“dient, griff nicht. Auch wenn der Angeklagte sein Vergehen mit seiner Faszination für das Soldatenleben und alles Militärische zu rechtfertigen suchte.
Von Schüler angezeigt
Im Februar 2016 hatte er seinen „Militaria“-Onlinehandel gegründet und auf seiner Homepage und über Facebook NS- Devotionalien, aber auch Gegenstände aus dem ersten Weltkrieg bis hin zum Jahr 1870 öffentlich zum Kauf angeboten. „Ich habe mir einen recht guten Namen gemacht. Das NS-Zeug hatte mehr Interessenten, auch aus dem Ausland. Da konnte man schneller Geld mit machen“, gab der junge Mann zu, der mittlerweile vom Bodensee zurück in seine oberpfälzische Heimat gezogen ist. Zum Verhängnis wurde ihm ein an ihn adressiertes Päckchen aus Amerika mit zwei NS-Armbinden, das bei einer routinemäßigen Stichprobe am Frankfurter Flughafen auffiel. Außerdem hatte ein Schüler, der auf Internetplattform Facebook Werbung für den „Militaria“-Shop gesehen hatte, Anzeige erstattet.
Bei einer Hausdurchsuchung im Oktober 2017 fanden sich schließlich zahlreiche Gegenstände mit NSSymbolen, ein funktionsuntüchtiges Maschinengewehr und original Kriegsmunition sowie Verpackungsmaterial, das auf den gewerbsmäßigen Handel schließen ließ. „Ich bin davon ausgegangen, dass das rechtlich in Ordnung ist“, erklärte der Angeklagte. Schließlich habe er sich extra ein Bildbearbeitungsprogramm auf seinem Rechner installiert, um die Nazisymbole zu verpixeln. Allerdings mit wenig Erfolg, wie Richter Pfuhl und Staatsanwältin Lisa Rehm feststellten, die Hakenkreuze schimmerten noch auf vielen Fotos durch.
Angesprochen auf seine rechtsextreme Vergangenheit, versicherte der 25-Jährige, dass er sich von der rechten Szene distanziert habe. „Ich will nichts mehr mit denen zu tun haben“, versicherte das frühere NPDMitglied. Trotz der Vorstrafen des Angeklagten, hauptsächlich wegen Körperverletzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, glaubte ihm Richter Pfuhl, dass er nun einen anderen Lebensweg eingeschlagen habe. Schließlich liege die Tat schon eine Weile zurück, der Angeklagte habe den Wohnort gewechselt, lebe in einer neuen Beziehung, habe einen festen Arbeitsplatz und pflege wieder Kontakt zu seiner Familie.
Christian Pfuhl sah schließlich von einer Gefängnisstrafe ab. In der Urteilsbegründung betonte er aber, dass ein Verkauf von NS-Gegenständen nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sei. Die Stücke dürften nicht öffentlich ausgestellt und beworben werden und lediglich einem ausgewählten, qualifizierten Interessentenkreis (etwa Museen) angeboten werden: „Das ist bei einem Onlinehandel nicht der Fall. Da kann jeder kaufen. Es gibt überhaupt keine Kontrolle, das ist kommerzielle Massenverbreitung.“